"Die Irrfahrten des Odysseus" im Jugendprogramm des Residenztheater

Zwischen Verführung und Anspruch

von Katrin Kaiser

Corinna von Rad inszeniert für das Junge Resi „Die Irrfahrten des Odysseus“ auf der großen Bühne des Residenztheaters. Für Tiefgründigkeit sorgt dabei vor allem der Hauptdarsteller Simon Werdelis.

Odysseus als Verführbarer: Simon Werdelis und Katrin Röver. Foto: Thomas Dashuber

 

Das Stück beginnt leise, kammerspielartig. Ein Junge in gelber Windjacke steht an der Rampe. Er schaut in die Ferne, er sucht seinen Vater. Es ist Telemach, der Sohn des Odysseus. Als der Vater seine Heimat Ithaka verlassen hat, um in den Trojanischen Krieg zu ziehen, war der Junge ein Säugling. Er kennt seinen Vater also gar nicht. „Meine Mutter sagt zwar, dass ich von ihm bin, aber so ganz genau, weiß man ja nicht, von wem man ist.“

Der Held Odysseus wird in Corinna von Rads Inszenierung, die auf ein Publikum im Schulkindalter zugeschnitten ist,  also von Beginn an gleich mal als abwesender und schmerzlich vermisster Vater eingeführt. Der 24-jährige Simon Werdelis spielt sowohl Odysseus als auch Telemach – und immer wenn er als zweifelnder Mensch in den Mittelpunkt des Bühnengeschehens tritt, entstehen die schönsten Momente dieses Theaternachmittags.

Manchmal ist Klischeehaftes auch ein bisschen lustig: Odysseus bei den Lotusessern. Foto: Thomas Dashuber

Auf einem beweglich auf der Bühne montierten Schiff, das einen Großteil des Bühnenraums einnimmt, fährt Werdelis als Kriegsheld Odysseus seinen Abenteuern entgegen. Die Inszenierung konzentriert sich dabei auf drei der Insel-Episoden, von denen Homers „Odyssee“ berichtet. Zunächst verschlägt es Odysseus und seine Männer im Residenztheater auf eine afrikanische Insel zu einer HordePrimitiv-Rastafaris, die sich mit Pfeiflauten verständigen und von Lotusblumen berauscht den ganzen Tag nur schlafen – eine etwas klischeehaft Szenerie, die mit gelungener Körperkomik aber bei den jungen Zuschauern immerhin für einige Lacher sorgt.

Auf der nächsten Insel überlistet Odysseus als findiger, selbstbewusster Held den menschenfressenden Zyklopen Polyphem, um im Anschluss als kurzzeitig schwacher und verführbarer Mensch fast von den Vamp-artigen Sirenen ins Verderben gestürzt zu werden.

Verführt wird er auch auf der dritten Insel von der Zauberin Circe. In die Circe-Espisode werden in der Inszenierung Odysseus' Erfahrungen mit der Nymphe Kalypso mit eingewoben. Katrin Röver spielt Circe/Kalypso als hübsches Flittchen mit blonder Rapunzel-Mähne und Gold-Bikini. In ihrem weiß ausgeleuchteten Wellness-Badezimmer feiert sie mit Odysseus und seinen Gefährten endlose Feste. Als der betörte Odysseus nach zehn Jahren auf ihrer Insel doch endlich wieder in Richtung Heimat segeln will, versucht Circe ihn mit Lügengeschichten über seine Frau und seinen Sohn und dem Versprechen der Unsterblichkeit an sich zu binden.

Das Schöne an dieser Episode ist die Unmittelbarkeit, mit der sie den philosophischen Gehalt der „Odyssee“ verdeutlicht. Der Mensch erscheint hier nicht nur als Spielball der Götter, sondern vor allem als zerrissenes Individuum zwischen dem Wunsch nach Bequemlichkeit und Wohlgefühl einerseits und dem Streben nach dem, was er im Innersten für richtig hält, andererseits.

Odysseus als selbstbewusster Kapitän. Foto: Thomas Dashuber

Immer dann, wenn Simon Werdelis als ratloser Mann zwischen menschlicher Schwäche und übermenschlicher Heldenhaftigkeit agieren darf, ist Cornelia von Rads Inszenierung besonders stark: Es gelingt dem Schauspieler immer wieder, dieses Dilemma mit charmanter Natürlichkeit sowohl für Kinderals auch für Erwachsene spürbar zu machen.

Ohne die augenzwinkernde Ernsthaftigkeit des Hauptdarstellers würde die Inszenierung an einigen Stellen ins rein Illustrative, an anderen ins Klamaukhafte abdriften. Doch durch Werdelis' differenziertes Spiel wird „Die Irrfahrten des Odysseus“ zu einem gelungenen Theatererlebnis, bei dem sich Spannung, Komik und Lebensweisheit die Waage halten.

Weitere Termine: 21. und 22. Oktober, 7., 13., 20., 26., 27. und 28. November sowie 3., 4., 11., 15.,16. und 22. Dezember 2014, jeweils 10 Uhr; an den Sonntagen, 30. November, 21. und 26. Dezember 2014, jeweils 16 Uhr. Karten und Informationen unter Telefon 089/21851940 oder unter www.residenztheater.de

 

Veröffentlicht am: 20.10.2014

Über den Autor
Andere Artikel aus der Kategorie