Susanne Kennedy: Ein Regie-Re-Import aus Amsterdam
Bühnenfassungen von Horace McCoys "They Shoot Horses, Don't They?" gibt es einige. Regisseurin Susanne Kennedy hat sich trotzdem dazu entschlossen, eine eigene Version zu erarbeiten. Wir stellen die Regisseurin und ihre Adaption des Klassikers vor.
Sie ist ein Regie-Re-Import aus den Niederlanden. Mit 23 ging Susanne Kennedy, aufgewachsen im baden-württembergischen Tuttlingen, der Liebe wegen nach Amsterdam, wo sie seit zehn Jahren lebt und arbeitet. Schon als Regie-Studentin inszenierte sie am Nationaltheater in Den Haag und wurde dort Hausregisseurin. An den Kammerspielen zeigt sie ihre zweite Bühnenarbeit in Deutschland: „They Shoot Horses, Don't They“ nach dem Roman von Horace McCoy aus dem Jahr 1935 über einen Tanz-Marathon. Hollywood-Regisseur Sydney Pollack verfilmte ihn 1969 mit Jane Fonda, auf Deutsch hieß er „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“. Premiere ist am Sonntag im Werkraum.
Als Intendant Johan Simons, bei dessen „Zehn Geboten“ sie hospitiert hatte, ihr den Stoff anbot, kannte Susanne Kennedy den Film nicht. „Aber als ich ihn gesehen hatte, konnte ich damit was anfangen“, sagt sie. „Den Marathon-Gedanken und die totale Erschöpfung fand ich spannend.“ Der Autor McCoy beschreibt einen gnadenlosen Tanz-Wettbewerb zur Zeit der großen Wirtschaftsdepression in den USA. Die Teilnehmer müssen tagelang auf den Beinen und in Bewegung bleiben, der Gewinn sind 1000 Dollar.
Obwohl es Bühnenadaptionen gibt, hat Susanne Kennedy mit dem Dramaturgen Jeroen Versteele eine eigene Fassung erarbeitet. „Ich wollte diesen Erschöpfungszustand ausdrücken, in dem man Zeit, Raum, den eigenen Körper nicht mehr spürt, Stimmen nur noch wie von ferne hört“, begründet sie. „Und ich wollte harte Zeitsprünge.“ Deshalb beginnt ihre Version, als sei die Hauptfigur Gloria, die am Ende um den Gnadenschuss bittet, schon tot:. „Wir erzählen eine Situation zwischen Leben und Tod, wo Zeit und Raum andere Gesetze haben.“
Im Stück verwandeln sich zwei Figuren zeitweise in den alternden Stummfilmstar Norma Desmond und deren Liebhaber Joe Gillis. Beide stammen aus Billy Wilders „Sunset Boulevard“ von 1950, in dem Gloria Swanson als Ex-Diva nicht begreift, dass ihre Zeit vorbei ist. „Wir spielen mit Hollywood-Zitaten der 20er Jahre“, erklärt Kennedy. „Aber man muss die Filme nicht kennen, um das zu verstehen. Es ist ein Spiel mit der Vergangenheit, Lachen, Applaus sind weit weg wie Halluzinationen. Oder als wären die Tänzer Zombies. Vielleicht ist dieser Marathon ja eine Art Fegefeuer.“
Sie hat die Teilnehmer reduziert auf drei Paare. „Vielleicht sind sie schon am Ende des Marathons, wo die anderen bereits ausgeschieden sind“ meint sie. „Aber drinnen oder draußen, das hat keine Konsequenzen mehr. Sie befinden sich ewig weiter im immer selben Raum.“ Das erinnert an Sartres „Geschlossene Gesellschaft“.
Das Möchtegern-Starlet Gloria spielt die türkischstämmige Schauspielerin Cigdem Teke, die Kennedy aus Holland mitgebracht hat. Die Statistin Alice verkörpert Anna Maria Sturm, bekannt aus den Rosenmüller-Filmen „Beste Zeit“, „Beste Gegend“, Beste Chance“. Beide hoffen auch auf eine Filmchance. Als zynischer Moderator treibt Thomas Schmauser die Tänzer brutal an. Das Publikum sitzt im Werkraum rund um eine Arena.
„Sadismus ist sexy. Masochismus ist ein Talent“, lautet ein zentraler Satz. Da denkt man leicht an TV-Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Dschungelcamp“. „Dort setzen sich Menschen aus, um gesehen zu werden“, analysiert Kennedy. „Sie zeigen ihre Blößen. Und es gibt genug Leute, die da gern zuschauen. Die Frage ist: Wie weit geht man mit diesen Shows? Lässt man dafür jemand wirklich sterben? Es scheint ja ein Bedürfnis zu geben, zuzusehen, wie jemand kaputt geht.“
Was kann das Theater gegen solche TV-Shows setzen? „Es stellt reale Leute vor mich, deren Körper nur ein paar Meter von meinem entfernt sind. Man kann etwas anschauen, was nicht nur Entertainment ist, sondern auch Irritation, Weh-Tun, Verunsicherung. Theater birgt das Risiko des Scheiterns - im Fernsehen wird rausgeschnitten, was nicht funktioniert. Da kann man sich kein Experiment erlauben, weil man so ein Riesenpublikum ansprechen muss. Theater braucht keine Zuschauermassen, es kann hoffentlich eine andere Art des Verstehens anbieten.“