"Monster Truck" zum Abschluss von Radikal Jung im Volkstheater

War da was? Was war das?

von Jan Stöpel

Der Publikumssieger 2015: "Und jetzt: Die Welt!" Foto: Gabriela Neeb

Diskussionen zum Abschluss von Radikal Jung, und das nicht nur über die Preisträger: Waren die beiden Produktionen von Monster  Truck - "Dschingis Khan" und "Regie" - nun großartiges Theater? Oder doch nur ein großer Witz? Monster Truck jedenfalls gewann den Kritikerpreis. Den Publikumspreis räumte wieder mal Gastgeber Volkstheater selber ab, mit Jessica Glauses Inszenierung "Und jetzt: Die Welt".

Man muss etwas vorausschicken zu den Produktionen von Monster Truck. Es wäre besser, die Welt an sich wäre eine bessere, wann man keine Informationen zuvor bräuchte. Aber so weit sind wir noch nicht, und daher muss gesagt werden, dass an dieser Truppe etwas anders ist als bei anderen: Die Darsteller haben Down-Syndrom. Sie werden oft noch immer Mongoloide genannt, und das ist zwar nicht korrekt, muss aber ebenfalls gesagt  werden, und der Grund dafür liegt diesmal bei Monster Truck: In dem blöden Wortspiel nämlich, das darin liegt, dass bei "Dschingis Khan" mongoloide Schauspieler vorgeben, dass sie für eine Völkerschau die Geschichte der Mongolen nachspielen.

Auf Dschingis Khan Spuren: Jonny Chambilla, Sabrina Braemer, Oliver Rinke von Monster Truck. Foto: Florian Krauss

Es ist alles so kompliziert. Aber leider vor allem danach, in den erregten Diskussionen im Anschluss an "Dschingis Khan" und "Regie". Weil es so ist, dass die eine Hälfte der Zuschauer das Doppelpack einfach großartig fand. Und die andere einfach grottig. Ich gehöre zur letzteren Gruppe. Weil ich einen Abend gesehen habe, der ungefähr so spannend war, als würde man einem Waschlappen beim Trocknen zuzusehen. Und weil ich den nächsten Abend, den mit "Regie", nur deswegen nicht genau so fad fand, weil ich dummerweise in der ersten Reihe saß und mir ausrechnen konnte, dass ich gleich für ein Mitmach-Theater der absurden Sorte rekrutiert werden würde. Blut und Wasser konnte man schwitzen. In der Reihe hinter mir verkrampfte ein Zuschauer dermaßen, dass man förmlich seine Gelenke knacken hörte. Den Blick hatte er starr zur linken Seite der Bühne gerichtet, um ja nicht in Blickkontakt mit Darstellerin Sabrina Braemer auf der Bühne treten zu müssen.

Was war das? Monster Truck zeigte zwei Aufführungen, die in erster Linie Vorführungen waren. Vorgeführt wurden die Darsteller, auch wenn "Regie" als Antwort auf "Dschingis Khan" zeigen sollte, dass Jonny Chambilla, Sabrina Braemer und Oliver Rincke durchaus auch die Machtverhältnisse umstürzen könnten. Gut, sah man eben die Drei im motorbetriebenen Regiestuhl über die Bühne kreiseln, als kleine Tyrannen, die neben einer Nackttänzerin und einem Rambo-Darsteller auch das Publikum der ersten beiden Reihen schikanierten.

Vorgeführt wurde in "Regie" auch ein Wissenschaftler, ein Theoretiker, der den drei Schauspielern etwas über Theatertheorie erklären sollte. In einer Videoeinspielung sah man den armen Kerl. Natürlich war sein Vortrag staubtrocken. Aber was gibt es da zu lachen, wenn Sabrina Braemer eine abwertende Geste nach der anderen macht, nur weil sie sich offenbar nicht länger als dreißig Sekunden konzentrieren kann?

Vorgeführt wurde aber natürlich auch das Publikum. Nicht nur die vier Geiseln von Sabrina Braemer, die absurde Anweisungen befolgten. Sondern auch all diejenigen, die immer wieder lauthals lachten. Offenbar, weil sie etwas Lustiges gesehen hatten. Doch was soll das gewesen sein? Etwas, was sie bei einem der anderen Schauspieler, bei einem ohne Down-Syndrom, ebenfalls lustig gefunden hätten? Man mag das kaum glauben. Ein Schauspieler mit Down-Syndrom ist offenbar immer noch ein besonderer Schauspieler. Einer außerhalb der Wertung.

Wie gesagt, es wurde diskutiert hinterher. Auch darüber, wozu das Festival ein Bühnendoppelpack eingeladen hat, dessen zweiter Abend auch in der Theorie nur funktionieren kann, wenn man den ersten Abend praktisch durchlitten hat. Und eine angeregte Diskussion kann man gut finden, auch wenn sich nun Theater nicht darin erschöpfen sollte, Leute im angeregten Gespräch zu versammeln. Man kann mit etwas Wohlwollen anmerken, dass die beiden Stücke Machtstrukturen sichtbar machen sollten und dies zu einem gewissen Teil auch schafften. Vor allem beim Abspann von "Regie". Abscheulichste Musik wummert aus den Boxen, und auf der Bühne tanzen zahlreiche Zuschauer mit. Entweder, weil sie die Musik ebenso wie die drei Schauspieler mögen, oder weil sie so etwas wie Respekt zeigen möchten. Schon seltsam, aber da war mancher vermutlich Gefangener des eigenen schlechten Gewissens.

Zwei verschenkte Abende. Und das nicht wegen irgendeines Anliegens, das nicht erreicht worden ist. Es geht um Schauspiel. Und da fehlte  zu viel, vor allem das wichtigste: Spannung.

 

 

Veröffentlicht am: 28.04.2015

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