Devotionalien Hitlers und anderer Nazi-Bonzen unterm Hammer
Teilweise etwas angebräunt
Mit goldenem Schriftzug dankte A. Hitler einem Unbekannten „für die künstlerische Mitwirkung an meinem Haus“. Die Weihnachtskarte, datiert vom Heiligen Abend 1943, ist laut Katalog „minimal angebräunt“ - was der Schätzer aber keineswegs anzüglich meint. Ab 10. Mai (2017) wird diese NS-Devotionalie bei einer Versteigerung in München für tausend Euro aufgerufen. Den zehnfachen Schätzwert hat eine etwas düstere Fotografie vom 1. April 1924: vor der Verkündung der (für sie günstigen) Urteile im Prozess um den Putsch vom 9. November 1923 stellten sich im Hof der Münchner Infanteriekaserne alle zehn Angeklagten dem NS-Hoffotografen Heinrich Hoffmann, die Ex-Offiziere Ludendorf und Kriebel mit Pickelhauben und Säbeln. Auf der Rückseite des Dokuments hinterließen die „Kämpfer für Freiheit und Ehre“ ihre Unterschriften.
„Wir haben dieses Mal außergewöhnlich viele Objekte aus der Zeit des Nationalsozialismus im Angebot“, sagt ein Sachbearbeiter des Buch- und Kunstauktionshauses Zisska & Lacher, das sich allgemein auf die „wissenschaftlich fundierte Bearbeitung wertvoller und seltener Werte“ spezialisiert hat und keineswegs auf Nazi-Hinterlassenschaft. Die Quellen werden grundsätzlich nicht verraten, „das dürften wir gar nicht“. Es handle sich ausschließlich um historische Dokumente mit Zeitbezug. Wichtige oder zweifelhafte Dokumente ließ man im Institut für Zeitgeschichte überprüfen.
Unter den über 200 Katalognummern fehlt jedenfalls kaum einer der Namen, die im Dritten Reich eine größere Rolle gespielt haben. Wenngleich wohl die wenigsten von wirklich historischem Belang sind.
„Gebräunt“ ist auch ein signiertes Porträt des nach England entflogenen Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess, das auf der Rückseite englisch betitelt ist. „Makellos erhalten“ und daher gleich 600 Euro wert ist eine Visitenkarte mit der gedruckten Unterschrift „Eva Braun München“. Eine Photographie des Außenministers Joachim Ribbentrop, der in seiner Unterschrift auf das durch Adoption verliehene Adelsprädikat verzichtet, erscheint „leicht gebogen“.
In einem Schreiben an den Gauleiter Paul Giesler in München bedankt sich ein Amtsleiter der Parteikanzlei für eine eingetroffene Bierlieferung. „Fleckig“ ist ein Schreiben von Reinhard Heydrich, das sich mit der bekämpften Freimaurerei befasst; der SD-Chef datierte es wenige Tage vor er dem Anschlag in Prag. Heinrich Himmler, „Reichsführer SS“, ist mit doppelter Signatur vorrätig. In einem an seinen „alten Weggefährten“ Himmler adressierten Brief aus Russland setzt sich Generaloberst Sepp Dietrich für seinen Obersturmbannführer Joachim Peiper ein, dem „zersetzende Kritik“ vorgeworfen wurde. Beide Waffen-SS-Offiziere galten schon zu Dienstzeiten als „Legenden“.
Hitlers Kriegshelden sind überhaupt dick vertreten – und etwas aussagekräftiger. Eine vom Generalstabsoffizier Hans Degen unterzeichnete „Geheime Kommandosache“ mit 32 Schreibmaschinenseiten berichtet über die schwierigen Vorbereitungen der 1. Gebirgsdivision zu, „Unternehmen Seelöwe“, die von Hitler schon 1940 befohlene, aber immer wieder verschobene Landeoperation in England. Erich Raeder, der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, ließ gleich nach der Haftentlassung aus dem Kriegsverbrechergefängnis Spandau ein Grußkärtchen mit Dank für „soviele Willkommensgrüße“ drucken. Die Postkarten von Ritterkreuzträgern – acht sind im Angebot - waren seinerzeit von der männlichen Jugend gesammelt worden wie die von UFA-Stars. Bevorzugt waren Flieger und U-Boot-Kommandanten.
In Fragmenten oder zwischen den Zeilen finden sich in der NS-Konkursmasse auch Hinweise auf den Widerstand. In einem Brief bemüht sich Oberst Schenk Graf von Stauffenberg, Kontakt zu knüpfen zwischen einem Oberstleutnant des Ersatzheeres und dessen Befehlshaber Generaloberst Fromm, der für die Verschwörung zum 20. Juli gewonnen werden sollte. Eine verschlüsselte Kontaktaufnahme liest sich auch aus zwei Briefen des Offiziers Jarro Schulze-Boysen, der dem Kreis der „Roten Kapelle“ angehörte und im Dezember 1942 auf Grund eines entschlüsselten sowjetischen Funkspruchs gehängt wurde. Admiral Canaris, Abwehrchef und ebenfalls gehängt, antwortete einem Oberleutnant Bauernfeind, der sich einem Fronteinsatz entziehen wollte, „wohlwollend, vielleicht auch etwas zynisch“, wie es im Katalog heißt.
Kaiser, Künstler, Revoluzzer
Die bevorstehende Auktion bedient sich freilich nicht nur aus dem Nachlass der Nazi-Prominenz. Aufgerufen werden auch Urkunden, Briefe, Bilder, Notizen, die auf viele berühmte Namen hinweisen. Einige seien in Stichworten erwähnt. Kaiser: Ferdinand I. (Aufruf zur Beteiligung an Steuerlasten), Leopold I. (ein Adelsdiplom), Wilhelm II. (eine Ernennungsurkunde mit gedrucktem Kopf und Siegel). Könige: Friedrich I. Von Preußen (Einführung eines allgemeinen Fast-, Buß- und Bettages), Friedrich Wilhelm III. von Preußen (Lehensbrief), Kanzler: Otto von Bismarck (Dank für ein „wohlgelungenes Reliefbild“), Willy Brandt (Brief an Hermann Mostar). Revolutionäre: Italiens Guiseppe Garibaldi (Dankschreiben an eine „bien chère amie“). Gelehrte: Justus von Liebig (Einladung nach München: „Hier hast du alles, was dir nützlich sein kann“). Otto Hahn (Entwürfe für ein Tagebuch), Martin Heidegger (eine unbekannte Vortragsfassung über Metaphysisk), Romano Guardini (Gedanken über Rilke). Künstler: Wilhelm Busch (Kopien von drei Bildergeschichten), Olaf Gulbransson (Katzenzeichnung für eine Züchterin). Musiker: Richard Strauss (Brief an die Frau des Reichsjugendführers Baldur von Schirach), Ralph Maria Siegel (zwei Widmungen und ein Gedicht), Schriftsteller: Friedrich Rückert (Bleistiftzeichnung), O.M. Graf („Endlich sind wir wieder in meinem geliebten New York gelandet“), Erich Maria Remarque (Dank für Übersendung von Kochbüchern), Herrmann Mostar (200 Dokumente). Erich Kästner („Wär ich anders, ja, dann wär ich / sonstwer und nicht Kästner Erich“), Lothar Günter Buchheim (Korrespondenz zum „Boot“).
Mehrere Bündel von Urkunden mit vielen detaillierten Randbemerkungen beziehen sich auf den Luftschiff-Pionier Ferdinand Adolf Heinrich August Graf von Zeppelin. Und besonders kurios ist ein kurfürstliches Mandat von 1761, das sich gegen jene Geistlichen in Passau richtet, die „offentliche Gast- und Würthshäuser ohnbedenklich frequentieren und daselbsten öfters bis in die späte Nacht mit Zöch- und Sauffen zuzubringen, die kostbare Zeit zu verschwenden, ja wohl auch allda und in anderen Schlufwinkeln zu tanzen sich recht unverschämt erkühnen.“