Anna Gavaldas Buch "Ab morgen wird alles anders"
In der Begegnung liegt die Kraft
Die aktuelle Kurzgeschichtensammlung der französischen Bestseller-Autorin macht nicht nur Spaß beim Lesen, sondern auch Hoffnung im Leben. "Zusammen ist man weniger allein" heißt der wohl bekannteste Roman von Anna Gavalda, der 2007 mit Audrey Tautou verfilmt wurde. Da finden eine magersüchtige Künstlerin, ein stotternder Aristokratensohn, ein chauvinistischer Koch und dessen Großmutter in einem Pariser Altbau zusammen - und alles wird gut. Auch die fünf Erzählungen, die in Gavaldas aktuellem Buch "Ab morgen wird alles anders" zusammengefasst sind, könnten unter dem Motto "Zusammen ist man weniger allein" stehen.
Den Impuls für die positive Veränderung gibt auch hier stets die Begegnung mit anderen Menschen. So klischeehaft und platt dieses Muster in der Theorie anmutet, in der literarischen Umsetzung führt es bei Anna Gavalda zu gewinnbringenden und lesenswerten Ergebnissen.
Das Herzstück der Kurzgeschichtensammlung bilden die beiden jeweils etwa hundertseitigen Texte "Mathilde" und "Yann". Mathilde erinnert stark an die weibliche Hauptfigur aus "Zusammen ist man weniger allein", lebt in einer Pariser WG und hat einen sinnentleerten Webmarketing-Job. Irgendwann beginnt sie in manischer Verzweiflung durch die Stadt zu laufen, um den Mann wiederzufinden, der ihr ihre verlorene Handtasche mit einem Stapel Geld zurückgegeben hat. Die Vorstellung, den auf den ersten Blick wenig attraktiven Mann wieder zu treffen, wird zur fixen Idee mit Erlösungspotential.
Der Protagonist der anderen Geschichte Yann ist ein erfolgloser Designstudent, der in Festanstellung Haushaltselektronik verkauft. Beim feuchtfröhlichen Spontanbesuch in der gemütlichen Küche seiner Nachbarsfamilie leidet er so sehr unter der Verkehrtheit des eigenen Lebens, dass eine radikale Veränderung am Ende alternativlos erscheint.
Beide Figuren sind jung und komplexbeladen. Mit ihren unperfekten prekären Leben haben sie sich arrangiert. Und doch sind sie voller Sehnsucht, warten nur darauf, dass endlich etwas passiert. Unwillkürlich wird man als Leser ergriffen von den gescheiterten Biografien und neurotischen Facetten, die Gavalda in wenigen Zeilen und treffenden Worten entstehen lässt. Und genauso unwillkürlich entspannt man sich bei der Lektüre, denn irgendwann ergreift einen das starke Gefühl, dass im Leben früher oder später alles gut werden kann, auch wenn es zunächst überhaupt nicht danach aussieht.
Die drei anderen in "Ab morgen wird alles anders" enthaltenen Geschichten sind kürzer und dramaturgisch kompakter als "Mathilde" und "Yann", aber nicht weniger charmant. In "Minnesang" freut sich eine von den Männern frustrierte Tierfpflegerin, dass ihr bei einem weiteren deprimierenden One Night Stand wenigstens ein Gedicht gewidmet wird. "Meine Kraftpunkte" erzählt von einem Familienvater, der das augenscheinlich unethische Verhalten seines kleinen Sohnes richtig zu deuten vermag und damit Raum für Nähe und Verständnis schafft.
Die stärkste der drei kurzen Erzählungen in der Sammlung ist "Mein Hund wird sterben": Hier erlebt ein LKW-Fahrer nach Jahren voller Schicksalsschlägen, Einsamkeit und Verhärtung unerwartet die zarte Anteilnahme seiner Frau. Das ist eine dieser kleinen versöhnlichen Wendungen, in denen sich Anna Gavaldas große erzählerische Kraft zeigt. "Ab morgen wird alles anders" enthält viele solcher kleinen überraschenden Ereignisse. Nicht zuletzt deshalb würde man sich von dieser gelungenen Geschichtensammlung gerne noch ein wenig länger begleiten lassen.
Anna Gavalda: Ab morgen wird alles anders, Hanser Verlag, 304 Seiten, 20 Euro