"Volpone" am Volkstheater von Abdullah Kenan Karaca
Ein Kampf wie in der CSU
Endlich Pause von der Postdramatik: Abdullah Kenan Karaca inszeniert am Volkstheater den "Volpone" und trifft eine Marktlücke. Für Menschen, die einfach Theater sehen möchten, ist dieser Commedia-dell'-Arte-Klssiker ein Tipp.
Manchmal ist die ganze Welt eine Schau. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner war am Vormittag jenes Tages noch von einem Nebenkriegsschauplatz zu vernehmen gewesen: In Bayreuth, bei der Verleihung des Programmkinopreises, erwähnte sie, dasss auch in der Politik gerade „großes Kino“ geboten sei. Am Abend dann stand eine Premiere im Volkstheater an; Stefan Zweigs Fassung von Ben Johnsons „Volpone“. Und die ging in einer Art und Weise über die Bühne, dass sich wiederum so mancher an das „große Kino“ der Politik erinnert fühlte: Hoppla, im Hause des Volpone geht es ja zu wie bei der CSU: Streit ums Erbe, bis aufs Messer, sehr unterhaltsam.
Aber natürlich nur für die, die zuschauen.
Abdullah Kenan Karaca hat das Treiben in Szene gesetzt. Mit einer Lust am Spielen, die manchmal an den frühen Christian Stückl und seine ersten Regie-Schritte auf der damals noch kleinen Oberammergauer Bühne erinnert; mit großem Tempo, Liebe zum Detail, hohem Unterhaltungsfaktor und der Bereitschaft, sich als Regisseur dem zu überlassen, was das Stück an Überraschungen entwickelt. Man kann es auch so sagen: Es sieht aus wie etwas Ausgelassenes, Wildes, das einfach Lust auf Theater macht.
Bei näherem Hinsehen ist dieser „Volpone“ natürlich eine reife Arbeit. Karaca hat eine Marktlücke erkannt. Da woanders in München auf Performance und Postdramatik und Experiment gesetzt wird, bietet er einfach Theater. Aber was für eins: Er bringt es fertig, dass das Publikum lacht und hoffentlich doch merkt, dass es über sich lacht. Er führt seine Figuren, er denunziert sie aber nicht. So wird aus einem Lustspiel ein Experiment: Wie lange ist Geld Mittel zum Zweck? Und wann übernimmt es nicht nur die Herrschaft, sondern tritt als Wert an sich an die Stelle des Menschen? So harte Themen sieht man längst nicht immer mit so leichter Hand verhandelt.
Karaca scheut dabei weder Slapstick noch Kalauer. Wenn Volpone (Silas Breiding) Colomba (Carolin Hartmann) verführt, springt der angeblich todkranke Geizhals nach der ersten Berührung scheinbar frisch verjüngt auf – im selben Augenblick fällt wie von Zauberhand gelöst Colombas Überrock. In dem Moment, da man’s schreibt, klingt das nach Altherren-Scherz. Im Moment des Sehens – wirkt es stimmig. Vor allem fügt sich das ganze Treiben gut zu Stefan Zweigs geschmeidiger Nachdichtung.
Nun ist das Volkstheater auch immer eine Wundertüte. So mancher liebt das junge Haus eben wegen seiner Jugend. Eine Rasselbande – in dieser Form ist sie absolut sehenswert. Auch weil sie sich auf den Senior verlassen kann: Peter Miterrutzners Corbaccio ist ein abgezockter Typ, ein routinierter Veteran des Betrugs, der allem widersteht, außer der Gier. Wie Mitterrutzner das mit kleiner Geste vermittelt, ist – das hatten wir schon mal – irgendwie großes Kino.
Die eigentliche Entdeckung ist Jakob Immervolls Mosca. Der ist ja die eigentliche Hauptrolle, ohnehin, der Zeremonienmeister, einem Ariel sehr eng verwandt, eine Rolle, die unentwegt Einladungen zum Chargieren ausspricht. Diesen Einladungen folgt Immervoll bereitwillig, ohne die Kontrolle je zu verlieren. Wie er umhergockelt, tänzelt, sich selber den Spiegel vorhält und damit erst recht allen anderen, ist sehenswert. Wieder mal: großes Kino. Eben auch, weil es witzig ist: Was wäre Aufklärung, käme sie sauer daher? Karaca und seine Darsteller sind sehr oberammergauerisch. Die Zeit, da man derlei für provinziell oder naiv halten müsste, ist vermutlich schon länger vorüber.
In der CSU soll mittlerweile wieder Frieden eingekehrt sein, so bekommt man es jedenfalls erzählt. In Oberammergau ist in einem Jahr Rollenkür für die Passion. Spannung! Die dort in den Bergen wissen schon, wie man inszeniert.