Hochamt der Schönheit

von Jan Stöpel

Portrait F.C. Gundlach, Hamburg 2002 (Foto: Esther Haase)

Mit hunderten Titelfotos von Modezeitschriften prägte er Deutschlands Vorstellung von Mode und weiblicher Eleganz. Eine bemerkenswerte Retrospektive im Neuen Museum in Nürnberg zeigt F.C. Gundlach als Meister, der weit mehr beherrschte als Modefotografie. 200 Fotos belegen Gundlachs Rang auch als Portraitkünstler - ein Hochamt der Schönheit!

Angelika Nollert, die Chefin des bemerkenswerten Hauses nahe dem Germanischen Nationalmuseum, schätzt F.C. Gundlach nicht nur als Fotografen von besonderem Rang, sondern auch als Erzähler von Anekdoten. Etwa der von der Zusammenarbeit mit dem Fotomodell Wilhelmina. Die rassige Frau ließ sich ihre Fotoshootings so teuer bezahlen, dass sie den Rahmen von Gundlach sprengte. Also bot er ihr eine Entlohnung in Pelzen an. Die junge Frau entschied sich mit Kennerblick für den teuersten, was Gundlach mit einem Schulterzucken quittierte: Er schrieb den Pelz einfach seinem Auftraggeber auf die Rechnung...

Wenn F. C. Gundlach bekennt, dass er ein Märchenerzähler sei, dann meint er dennoch weder solche Anekdoten noch die Propaganda  des schönen Scheins. Er versteht sich vielmehr als Fotograf, der den Menschen die Vision einer schöneren Welt zeigt. Wie die große Ausstellung im Neuen Museum in Nürnberg zeigt, betrieb Gundlach seine Berufung nicht nur als Handwerk, sondern als Kunst - auch wenn er für Modemagazine fotografierte. Wie er seine Modells nicht einfach irgendwo hinstellte, sondern dirigierte, in Szene setzte: Das sprengte den Begriff der Modefotografie.

Bis heute sind seine Bilder echte Schmuckstücke, und das nicht nur der wunderschönen Frauen wegen, die er gar nicht so sehr verführerisch, sondern mit der kühlen Eleganz griechischer Göttinnen ablichtete.  Gundlachs Fotografien sind perfekt zusammengesetzt, in atemberaubender Geometrie aufgebaut, in stürzenden Linien oder auch mal in Quadraten, die das Foto wirken lassen, als habe da jemand ein Antlitz in ein Schwarzweißbild von Piet Mondrian montiert.

"Vor den Cheopspyramiden", Karin Moosberg u. Micky Zenati in Op Art-Fashion, Gizeh/Ägypten 1966, Foto: Stiftung F.C. Gundlach (c) F.C. Gundlach

Gerne lässt er das Gewohnte mit dem Unerwarteten zusammenstoßen. Für ein Bademoden-Shooting lotste er seine Models vor die Pyramiden von Gizeh. Welch absurder Gedanke, dass man hier, in der Dürre Ägyptens, Gelegenheit zum Baden finden würde. Doch unbeirrt schweift der Blick der Schönen in die Ferne, während der Schwung der Beine, der schmalen Fesseln und der Füße bereits den Aufbruch ahnen lässt. "Den ganzen Tag am Strand" heißt das Foto.

Gundlachs Bilder erzählen eben Geschichten. Das Modell, das auf eine Piermauer hingegossen in die Kamera blickt, elegant überwölbt von einem Brückenbogen, wird beobachtet: Im Hintergrund erkennt man, bis zur Abstraktion verschwommen, die Figur eines Mannes. Im Zentrum einer anderen Aufnahme sitzt eine ältere Dame, die an Queen Victoria erinnert. Sie ist von Menschen umlagert, scheint eine Berühmtheit zu sein. Tatsächlich war sie eine Society-Reporterin. Viel bekannter als die Kolumnistin jemals war ist noch heute die junge Dame, die neben der Matrone fast verschwindet: Mit wissendem, ruhigem  Blick sieht sie in die Kamera, die italienische Diva Gina Lolobrigida. So elegant und hinterkünftig erzählt uns Gundlach  vom selbstverliebten Mediengeschäft und von Statisten, die sich als Haupdarsteller fühlen.

Seine Bilder versprühen den Charme der Swinging Sixties in London, den Optimismus der Fünfziger Jahre. Die klassische Eleganz jener Zeit ebenso wie ihre großen Darsteller wie Romy Schneider oder Cary Grant leben in ihnen weiter. Für eine Serie hat er die Modells vor die futuristischen Bauten Oscar Niemeyers in Brasiliens Retortenhauptstadt Brasilia beordert: Selten werden Utopien so glamourös verewigt.

Die Suche nach der Schönheit, dem surrealen witzigen Moment, nach der hellen Utopie erklärt sich schon aus Gundlachs Leben. Als Franz Christian Gundlach 1926 in einem hessischen Nest geboren, erlebte er das schreckliche Finale des Weltkriegs. In Paris suchte er nach der Entlassung aus französischer Kriegsgefangenschaft Abstand und eine lichtere Zukunft. Bald machte sich der Hesse als Reportagefotograf einen Namen. Eine Serie, die er über Jean Marais und sein Leben auf einem Hausboot fotografierte, stellte die Weichen in Richtung Modefotografie.

Der Vielgefragte bat vor allem für das Hochglanzmagazin "Frau und Film" die europäischen Stars vor die Linse. Für eine Vielzahl weiterer Magazine reiste er in die ganze Welt, begann selber Fotokunst zu sammeln. Mit hunderten Fotostrecken und Titelbildern der Brigitte prägte er die Vorstellung von frau, wie Mode aussehen sollte, und von mann, wie Frau aussehen kann. Mitte der achtziger Jahre verabschiedete er sich von Modebusiness und blieb somit von Debakeln wie Schulterpolstern und Röhrenjeans weitgehend verschont. Lieber betätigte er sich weiterhin als Sammler, Kurator und als höchst unterhaltsamer Dozent und Kenner der Fotokunst. Als solcher ist er am 7. April auch zu erleben - in einem Vortrag im Neuen Museum.

Die Ausstellung ist bis zum 26. Juni im Neuen Museum, Staatliches Museum für Kunst und Design, Klarissenplatz in Nürnberg, Di. bis So. von 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr zu sehen.

Veröffentlicht am: 26.03.2011

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