L’art pour l‘art
Kein klassischer Liebestext, sondern ein schonungsloses Porträt emotionaler Zersetzung und Obsession. Ein Text über flüchtige Begegnungen, die Illusion von Gegenseitigkeit und Kontrolle, das Verlangen nach Nähe und die gleichzeitige Unnahbarkeit.
Es ist eine Geschichte über eine Frau, die sich in einem Menschen verloren hat, der nie wirklich anwesend war. Er ist Muse und Droge zugleich: Ein Symbol für das Unerreichbare, die Lebendigkeit und Leere, die sie hinterlässt.
Von Maria Levina
Will ich, dass er mich küsst? Er redet so viel Stuss, er ist für mich mehr eine Kunstfigur. Aber ich will diesen Kuss. Ich will ihn so sehr. Es kommt kein Kuss. Ich bin müde, ich rufe mir ein Uber. Er umarmt mich fest, wünscht mir eine gute Nacht und ich fahre nach Hause.
Am nächsten Morgen melde ich mich, es gibt keine Antwort. Allgemein gibt es keine Antworten, wenn ich schreibe. Ihn gibt es nur im Moment, danach ist er weg. Er ist pure Intensität, ein Gefühl der Lebendigkeit, wie ich es sonst nie erlebt habe und wer weiß, ob ich es nochmal erleben werde. Aber nur für den Moment, unkontrollierbar, nicht greifbar.
Noch ein Treffen, noch ein Treffen, noch ein Treffen. Ich will immer mehr, aber das Gefühl kommt nie wieder. Ich bin immer öfter verletzt, aber ich will immer mehr. Ich quäle mich, aber ich will immer mehr. Er hat eine Freundin, er sagt nichts von ihr, er spricht mit anderen Frauen, wer bin ich? Er will Zeit mit mir und stößt mich wieder weg. Er bleibt verschlossen, er bleibt nur im Moment.
Er sieht mich nicht! Und dabei liebe ich ihn. Ich begehre ihn. Ich begehre das Gefühl, dass ich mit ihm zusammen habe. Auch wenn sein Egoismus grausam, er kalt und respektlos ist, so ist er doch pure Intensität. Er ist mein Katalysator, meine Befreiung und meine größte Sucht. Ich will mehr. Diese schwarzen Locken, die blauen Augen, die schmale sportliche Statur, die Zigarette in der Hand. Er ist wunderschön, wie ein Kunstwerk aus feinstem Marmor. Ich will ihn zeichnen und einfach nur anschauen, stundenlang. Ich will ihm zuhören, wie er über Musik spricht und sich über Politik aufregt. Ich will so tief einatmen, wie nur irgendwie möglich und seinen Duft in mir behalten. Nie mehr ausatmen. Ich will mehr!
Monate vergehen, er antwortet nicht. Ich schreibe, ich rufe an. Er antwortet nicht. Diese Stunden mit ihm dürfen nicht enden! Ich brauche diese Stunden, ich brauche diese Gespräche, ich brauche ihn. Das zu verlieren löst in mir Panik aus. Ich fahre mit dem Fahrrad zum Israeli bei mir um die Ecke, um Essen abzuholen und spreche mit dem Universum: bitte nimm ihn mir nicht.
Er meldet sich nicht. Es zerreißt mich. Ich melde mich bei Mark. Schon wieder Mark, zum dritten Mal Mark, immer wieder Mark. Wir treffen uns in einer Bar, wir sprechen, wir gehen zu ihm, ich liege da und habe Nähe. Ich wollte Nähe, da habe ich sie. Ich wollte Erotik, da habe ich sie. Und doch nur, um ein bisschen wie im Film zu leben.
Er meldet sich und wir haben wieder Stunden. Er verschwindet wieder. Mark trennt sich wieder. Ich verschwinde. Es gibt keine Stunden mehr.
Ich bin tausende Kilometer weg, der Schmerz vergeht nicht. Ich blende alles aus, der Schmerz vergeht nicht. Ich komme wieder. Ich suche Ersatz. Es gibt keinen Ersatz. Keiner reicht ran. Und dabei war niemals etwas.