Hauptsache, das Spiel läuft: Der Maler Dirk Sommer und der Sprachkünstler Marcel Reif bei Boffi
Die intellektuelle Neigung, im Fußball ein Abbild des Weltenlaufs erkennen zu wollen, ist ebenso wie die kulturelle Überhöhung der Kunst der Küche eines der schönsten Phänomene der letzten Jahre. So ist es geradezu logisch, wenn eine italienische Nobel-Firma für Küchen und Bäder in ihren Räumen Kunst und Fußball zusammenbringt und einen Maler mit einem Sportmoderator diskutieren lässt. Bei Boffi an der Nymphenburger Straße sollten Emotion und Genuss verschmelzen. Leider war aber der Inhalt der Debatte dürftig.
In einer Kooperation von Boffi München mit dem Zeit Kunstverlag werden Bilder des bei Freiburg lebenden Malers Dirk Sommer sowie die neu erschienene Monografie des Künstlers präsentiert. Sommer zeigt eine Auswahl aus mehreren seiner oft riesigen Bilderzyklen, von denen der abgeschlossene, 200 Gemälde starke über die Kickerwelt im Zentrum steht. Er ist selbst ein Spieler, allerdings nicht mit dem Ball,
sondern beim Zusammenführen von Elementen aus Abstraktem und Figürlichem. Eine kindlich naive Freude an meist hellen, zarten Farben zeichnet seine Kunst aus. Davon unterscheiden sich seine Fußballbilder, die er unter die Rubik „Die große Emotion“ gestellt hat: Das Grimmige, Aufgewühlte dominiert, im schmutzigen Grün des Rasens verschwimmen die Figuren samt ihrer Gesten voller Anspannung und Anstrengung.
Sommer ist befreundet mit Marcel Reif, dem Sprachkünstler unter den Fußball-Kommentatoren. Reif steht wie kaum ein anderer für eine sympathische Intellektualisierung des Sports, da er einerseits klug analysiert und andererseits sich dem Statistik-Wahn der „Ran“-Generation verweigert. (Wenn man böse wäre, könnte man auch sagen, er macht ganz einfach nur seinen Job als Sportjournalist, doch in einem Umfeld der Marktschreier und Entertainer reicht das, um aufzufallen.)
Der verspielte Sommer, ohne Fußball: "Guten Morgen" (2010, Öl und Zeichnung auf Leinwand, 150 x 180 cm). Foto: Bernhard Strauss
Ein öffentliches Gespräch der beiden über „Kunst und Fußball“ durfte man mit Spannung erwarten. Doch ihren war der Kunstkritiker Hans-Joachim Müller zur Seite gestellt, dessen steife und selbstbezogene Moderation keinen Spielfluss aufkommen ließ. Auch hat es einen Beigeschmack, wenn ein Journalist sich erst als Verkäufer betätigt („Ein Maler, bei dessen Bildern man nichts falsch machen kann beim Kauf“) und später seine Gesprächspartner nach ihrer Neutralität im Job fragt.
Es folgte ein bisschen Fußball-Geplänkel (Emotionen? Sind wichtig! Schönstes Erlebnis? Anfield Road, Liverpool gegen Chelsea!), und das war's dann auch schon. Sommer sah sich beim Spielbesuch „in eine Parallelwelt eintauchen“, fand dann aber, dass „nach 200 Bildern irgendwann die Luft raus ist, dann kann man kein Fußballbild mehr malen“. Eine merkwürdige Ferne hatte diese Begegnung zu ihrem Sujet, und Reif machte nicht den Eindruck, als würde er sich besonders wohlfühlen.
So konnte man sich schnell wieder den Bildern widmen, die allerdings etwas untergehen zwischen den raumgreifenden „High-End-Produkten“ im „Flagshipstore“. Aber bitte: Wenn die kleinen Jungs (und neuerdings ja immer mehr Mädels) aus purer Freude am Spiel einen Ort zum Kicken suchen, ist ihnen ja auch jeder Platz recht.
Dirk Sommer: „Guten Morgen guten Abend und alles was dazwischenliegt“ - Ausstellung bei Boffi München (Nymphenburger Straße 5, zu den Geschäftszeiten, bis 7. Mai). Das gleichnamige Buch erscheint in der Edition Minerva (148 Seiten, 26 Euro)