Ein roter Vorhang im Pavillon
Campo Maior, 2010, C-Print/Diatec (Foto und Copyright: Roland Fischer, courtesy Walter Storms Galerie)
Ungewöhnliche Architektur-Fotografie vom Feinsten: In der Ausstellung "new architectures" zeigt die Galerie Walter Storms großformatige Arbeiten des Fotokünstlers Roland Fischer.
Die fotografische Auseinadersetzung mit neuzeitlicher, moderner Architektur muss nicht bedeuten, das Bauwerk in seiner Gesamtheit abzubilden. Oftmals genügen Details. Roland Fischer vermittelt mit seinem jüngsten Werkkomplex "new architectures" neue, verblüffende Sichtweisen. Ein roter Vorhang in einem von Mies van der Rohe entworfenen Pavillon. Sich kreuzende Treppen in dem Werk "crossing stairs", eine Detailaufnahme aus einem von Le Corbusier entworfenen Gebäude. Ein schmaler Handlauf in blau dominiert das Bild.
Für die Werkreihe hat sich Fischer Bauwerke berühmter Architekten ausgesucht. Die Villa Savoye, ebenfalls entworfen von Le Corbusier, wird frontal, aber verfremdet gezeigt. Campo Maior, ein Bauwerk des portugiesischen Architekten Alvaro Siza, ein kubistischer Bau, dessen Licht und Schatten das 2010 entstandene Foto zeigt. Serralves, ebenfalls ein Bau Alvaro Sizas, ein modernes, durch scharfe Ecken und Kanten dominiertes Haus, dessen Wirkung der Künstler durch ein nachträglich in die Aufnahme eingearbeitetes, pyramidenartiges Gebilde verstärkt. Tritt der Betrachter näher heran an das Bild, vermeint er zu erkennen, dass aus dem Fenster neben dem Hauseingang die Hausherrin, oder wer immer das sein mag, misstrauisch in Richtung des Fotografen äugt. Absicht, Zufall? Ob der Fotograf das bemerkt, einkalkuliert, als Kick im Bild gelassen hat, ist nicht bekannt. Die Sterilität, die von der Aufnahme ausgehen könnte, wird durch dieses kleine Stückchen Leben aufgehoben.
Der 54-jährige Roland Fischer, der in München und Peking lebt und arbeitet, zählt zu den bedeutensten deutschen Fotografen der Gegenwart. Menschen einerseits und die Architektur sind die beherschenden Sujets seines Schaffens. Dabei steht nicht die Abbildung der Wirklichkeit im Vordergrund. Durch Nachbearbeitung, insbesondere durch intensive Farbgebungen entstehen Bilder von unwirklicher Abstraktheit, die beherrscht bleiben von klaren Linienführungen. Der Charakter, die individuelle Schönheit der Bauten bleibt erhalten. An den Aufnahmen "Mexico" und "Casa Gilardi", beide 2008 entstanden, zeigt sich das besonders deutlich. Einzigartig auch das 2009 entstandene Bild "City of Cubes", das einen Entwurf des brasilianischen Architektur-Methusalems Oscar Niemayer abbildet, eine Ansiedlung aus Kuben und Quadern und eigentlich untypisch für diesen Architekten, der rechte Winkel, gerade, harte inflexible Linien hasste und den die freien, sinnliche Kurven, gefunden im "Leib der geliebten Frau", anzogen.
Die Ausstellung beeindruckt. Gezeigt werden hochwertige C-Prints in raumfüllenden Formaten zwischen 160 x 200 cm und 300 x 140 cm, die aufwändig im DiaSec-Verfahren versiegelt und dauerhaft haltbar gemacht wurden. In den großzügigen Räumen der Galerie kommen die Fotografien besonders gut zur Geltung. Da das eine echte Entdeckung ist empfehlen wir: hingehen!
Die Ausstellung ist bis zum 4. Juni in der Galerie Walter Storms, Schellingstr. 48/Rückgebäude in München, Di-Fr. 11-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr oder nach Vereinbarung bei freiem Eintritt zu sehen.
Der Kulturvollzug hätten den Bericht gerne bebildert, die Galerie konnte jedoch bis Redaktionsschluss keine Aufnahmen zur Verfügung stellen.
Nachtrag am 19. Mai 2011, 00.21 Uhr: Der Kulturvollzug freut sich, Ihnen nun doch noch ein Bild aus der sehenswerten Ausstellung zeigen zu können.