Mahler im Rap: Kommentar zu Klangspuren
Warum nur kommt die Neue Musik nicht aus dem Schattendasein raus? Vielleicht liegt es gar nicht an der Spröde der Musik, sondern an der Unfähigkeit, sich einem größeren Publikum zu öffnen. Diesen Eindruck hat zumindest Kulturvollzug-Autor Alexander Strauch bei zwei Konzerten der Biennale und in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gewonnen.
Ist aktuell frisch komponierte Musik einfach nur "neue Musik" oder dem in die Jahre gekommenen Epochenbegriff "Neue Musik" verpflichet? Stockhausen und Co. sind längst gestorben oder hochdekorierte Altmeister. Ist "Neue Musik" heute noch die "Filzlaus im Fell der klassischen Musik" – wie Lachenmann, auch pensioniert, einst behauptete? Noch immer schockt Neue Musik brave Abonnenten, oder sie ödet sie an, wie zu Schönbergs Zeiten. Den Saal türschlagend zu verlassen ist genauso arriviert und etabliert, wie bei Mahler stehend zu applaudieren.
Neue Musik ist einfach nur die Schattenseite der Klassik: sie bleibt in ihr verwurzelt, egal wie akademisch, experimentell oder rockig sie sich schminkt. So zieht sie gerne Fans jener Teints an, insgesamt bleibt das Klassikvölkchen noch unter sich. Darunter litten genauso die beiden Konzerte: Man öffnet sich zu wenig. An den Preisen lag es nicht.
Und beide Reihen sind nach mehr als zehn Jahren Existenz etabliert. Biennale wie Akademie findet man zwar im Internet, die Biennale hat einen brachliegenden, sehr bescheidenen Facebook-Auftritt. So werden die neuen Netzwerke sträflich vernachlässigt, gibt es keine Kooperation mit der Volkshochschule, versucht man nicht Studenten zu begeistern, Musikschüler und Musikgymnasiasten – ebenfalls Fehlanzeige. Es handelt sich hier nicht um Ausprobierbühnen, welche bei Slam-Sessions allemal mehr Besucher anziehen. Nein, es werden veritable Aufträge aus Steuer- und Stiftungsmitteln an Komponisten vergeben, die dann leider im Verborgenen uraufgeführt werden. Selbst wenn an beiden Abenden parallel Thielemann seinen Taktstock mit Musik des soft-modernen Rihm paart - beide pikanterweise Mitglieder der Akademie -, hat der Großraum München immer noch 2,6 Millionen Bewohner, welche die beiden anderen Konzerte problemlos erreichen könnten. Also neue Konzertformen: Rihm passt in einer Nacht die besten Texte eines Poetry-Slams seiner Musik an, Thielemann dirigiert es, dazwischen ein drittes Klaviertrio von Schwenk, Reiserer kompiliert die Tonhöhen beider Stücke am Rechner, der coolste Rapper der Stadt modernisiert eines der Mahlerlieder, die den ganzen Abend umschliessen. Wäre das nicht was für die Lange Nacht der Musik? Derzeit immer noch Fehlanzeige!
Alexander Strauch