Tödliche Groteske: Waits trifft Wilson trifft Woyzeck.

von kulturvollzug

[caption id="attachment_425" align="alignright" width="225" caption="Woyzeck und all die anderen Narren (© Hilda Lobinger)"][/caption]Das Metropoltheater ist eine der interessantesten Bühnen Münchens. 2008 und 2009 wurde das Haus als bestes Off-Theater ausgezeichnet. Die aktuelle Metropol-Inszenierung des „Woyzeck“ zeigt warum...

Den „Woyzeck“ hat Georg Büchner 1837 verfasst. Es ist ein fiebriges Stück, ein ohnmächtiges Theater: ungeheuer, monströs, solitär und grauenhaft modern. Die Geschichte des Soldaten Woyzeck, der von seiner Frau Marie betrogen, von seinen Mitmenschen physisch und psychisch zugrunde gerichtet, am Ende zum Mörder wird, hat keine Halbwertszeit. In jeder Generation aktuell findet der tugend- und morallose Woyzeck seine Heimat auf der Bühne.

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Hochschule für Musik und Theater legt das Münchner Metropoltheater eine Inszenierung vor, die rhythmisch, pointiert und reflektiert den fatalen Erfahrungskosmos Woyzecks spürbar macht. Dabei folgt sie dem Konzept, das Robert Wilson für seine Woyzeck-Version von 2000 erarbeitet hat. Woyzeck, Marie und all die anderen verlorenen Seelen des Stücks vegetieren in einem Käfig, der metallisch grau auf der Bühne prangt. Die teuflische Erscheinung eines Jahrmarktschreiers führt uns zu Beginn die Schauspieltierchen vor, klappert von Zeit zu Zeit mit seinem Stock an den Gitterstäben und greift immer wieder entscheidend in die Dramenhandlung ein.

[caption id="attachment_426" align="alignleft" width="160" caption="Gott hat keine Zeit (© Hilda Lobinger)"][/caption]

Es ist klar: egal was passiert, fremdbestimmt ist alle Bühnenexistenz. Nicht nur der arme Hund Woyzeck, auch die anderen sind lediglich Gefangene.

Wichtiger Bestandteil dieser Groteske ist die Musik. Tom Waits und seine Frau Kathleen Brennan haben für Robert Wilson einen Soundtrack zu Woyzeck komponiert (veröffentlicht auf dem Waits Album „Blood Money“). Waits/Brennen legen den Figuren Fragen und Sätze in den Mund wie: „Why be sweet, why be careful, why be kind?“ oder später: „God`s away on Business.“ Das fiese Rumpeln der Musik, die punktuelle Disharmonie und der existenzialistische Sarkasmus der Texte runden das Bild ab: die Figuren hoffen auf eine erfülltes Leben außerhalb der Sphäre von Auftritt, Handlung, Läuterung, Tod, Abtritt und Vergessen. Doch außerhalb des Käfigs schafft es nur einer: Woyzeck. Der Rasende, der Betrogene, der Mörder muss letztlich sterben, um erlöst zu werden.

Das ist das amoralische und bittere Ende eines fantastischen Theaterabends.

Das Metropoltheater führt den „Woyzeck“ noch bis zum 31.07.2010 auf. Weitere Informationen finden Sie hier:

Woyzeck im Metropoltheater

Veröffentlicht am: 30.06.2010

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