Ein Schuss fürs Happy End

von Jan Stöpel

Amaranta (Martha Hirschmann, li.) weiß, was sie will, Nerina (Evgeniya Sotnikova) muss noch überlegen. Foto: Wilfried Hösl

Eine seltene Haydn-Oper im Cuvilliés-Theater: „La fedeltá premiata“, uraufgeführt 1781, feiert in einer Produktion des Opernstudios vergnügliche Urständ.

Ein Gott ist schließlich auch nur ein Mensch, und so darf man sich nicht weiter wundern, dass Diana am Ende der Kragen platzt und sie mit sicherem Schuss auf den Priester Melibeo sowohl ihre hinter der Maske eines Menschen verborgene Göttlichkeit offenbart als auch das wirre Treiben der Menschen in Cumae zu einem glücklichen Ende bringt.

Anders als mit einer Dea ex Machina wäre das Stück auch gar nicht zu Ende zu bringen gewesen, dieses arkadische Dumdidelei mit Irrungen und Wirrungen der Liebe, Selbstmordversuchen im Hain, Intrigen des Priesters und beständiger Treue der Fillide: Der Stoff, den Joseph Haydn in seiner Oper „La fedeltá premiata“ („Die belohnte Treue“) 1780/81 vertonte, entstammt eben noch der Rokoko-Idylle, mit einem Himmel, dessen dunkle Wolken sich alsbald verziehen werden, über einer Landschaft ohne Abgründe, mit einem grundsätzlichen Einssein von Mensch und Welt. Es verbreitet jene Harmlosigkeit, an die man glauben wollte in den spannungsreichen Zeiten vor der französischen Revolution.

Was hecken die Cowboys aus? Melibeo (Tareq Nazmi) und Lindoro (Nam Won Huh). Foto: Wilfried Hösl

Das Libretto nahm offenbar auch Steward Laing (Inszenierung und Ausstattung) im Cuvilliés-Theater nicht ernst: Das Monster, dieser Fluch, dem jedes Jahr ein Liebespaar zum Fraß vorgeworfen wird, erinnert hier an die Reisigfiguren, in denen die Kelten Menschen als Opfer für die Götter verbrannt haben sollen. Die Frauen tragen hochgeschlossene Kleider in Verbindung mit albern wirkenden Turnschuhen, die Männer sind durch Cowboy-Hüte und Holzfällerhemden in eine andere Zeit und Gesellschaft (aber welche?) verortet. Der Tempel, nüchtern, mit zwei weitgehend funktionslosen Schwingtüren-Eingängen, erinnert an eine Versammlunsbaracke. Ein Sheriff verkörpert die überlegene Macht, die den Menschen aus Cumae ob diverser Verstöße auf den Zahl fühlen will. Für eine Neuinterpretation waren diese Verfremdungen nur bedingt hilfreich.

1781 anlässlich der Wiedereröffnung des Opernhauses in Esterhaza uraufgeführt, wurde „La fedeltá“ zur erfolgreichsten Oper von Papa Haydn. Dennoch geriet sie in Vergessenheit, vielleicht auch wegen der Belanglosigkeit des Librettos. Die Musik ist – wie nicht anders zu erwarten bei diesem Großmeister der Wiener Klassik - gefällig, schön, mit wunderbarem Klang vor allem in elegischen Passagen.

Eine Neuentdeckung ist dennoch nicht zu feiern, es sei denn, man hätte nach der Verbindung, dem fehlenden Glied, zwischen der Opernrevolution Glucks und nach „Le Nozze di Figaro“, der revolutionären Oper Mozarts, gesucht: Man kennt den Sound ja doch, mag sich allerdings beglückt und überrascht fühlen durch die Geschmeidigkeit und Souveränität der Stimmführung Haydns. Der Meister selbst erkannte seinen Freund Mozart vermutlich aber als den größeren Opernkompinisten an – er schrieb nach 1781 nur noch drei Opern.

Als Mischung zwischen Opera Seria und Buffa angelegt, überzeugt die Oper vor allem in ihren burlesken Elementen – auch ein schauspielerisches Verdienst des hochstaplerischen Perrucchetto (John Chest). Das von Christopher Ward mit leichter Hand geführte Staatsorchester transportierte den Charme Haydns mit sicherem Gefühl auch für den Humor Haydns – ohne Abstriche ein schönes, wenn auch kein atemberaubendes Hörerlebnis.

Der Fluch ist gebrochen: Happy End bei "La fedeltá premiata". Foto: Wilfried Hösl

Ähnliches gilt für die jungen Sänger, die – ohne Chor – eher Wohlklang denn Abgründig-Dramatisches auf die Bühne zu zaubern hatten. Am meisten gefielen Dean Power als larmoyanter Fileno und Hanna-Elisabeth Müller als warm tönende, manchmal fast zu kräftige Fillide. Nam Wun Huh singt einen sehr munteren, ausdrucksstarken Lindoro, Martha Hirschmann verleiht ihrer Amaranta sinistre Doppeldeutigkeit: Was führt sie nur im Schilde? Und Evgeniya Sotnikova, mit schlanker eleganter Stimme, darf am Ende als Nerina den leicht geschürzten Knoten mit einem Schuss auf den maliziösen Melibeo lösen nur (äußerlich, zum Glück nicht stimmlich, eine leichte Ähnlichkeit zu Borat: Tareq Nazmi). Es ist ein finaler Rettungsschuss. Denn mit dem einen Bösen ist das Böse überhaupt verschwunden. Welch glückliche Zeit!

"La fedelta premiata" ist an den meisten Terminen ausverkauft. Karten gibt es laut Staatsoper noch für Mittwoch, 30. März.

Der Trailer zu "La fedeltá premiata":

http://www.youtube.com/watch?v=QdkgjM9NocA

Veröffentlicht am: 28.03.2011

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