Minimalismus, zwiespältig: Zur Premiere von Phil Glass' "Der Untergang des Haues Usher" am Gärtnerplatztheater

von Volker Boser

Ella Tyran als Madeline und Harrie van der Plas als Roderick Usher. Foto: Hermann Posch

Ein prähistorisch anmutendes Gerippe inmitten eines angedeuteten Flussbetts – so stellen sich Regisseur Carlos Wagner und Bühnenbildner Rifail Ajdarpasic jenes von Edgar Allan Poe ausgedachte Szenario vor, in dem Roderick mit seiner Schwester Madeline inzestuös zusammenlebt und William, den Freund aus Kindertagen, verzweifelt um Hilfe bittet: „Komm jetzt, ich brauche dich“ – Rodericks Stimme aus dem Off ist so energisch wie die kurz danach einsetzende Motorik der Musik.

Vom Dirigenten Lukas Beikircher präzise, aber stets effektvoll vorgeführt, beschwört sie eine irreale Gruselwelt der Träume und Albträume. Die Wiederholungen weniger Töne variieren allenfalls in ihrer rhythmischen Struktur. Die Sänger haben kaum etwas zu tun. Dramaturgische Spannungsbögen leben von der morbiden Atmosphäre.

Doch das Spiel mit den Ängsten hält sich in Grenzen. „Der Untergang des Hauses Usher“, 1988 uraufgeführt und jetzt vom Gärtnerplatztheater wieder belebt, reiht sich nahtlos ein in die Fließbandarbeiten des Vielschreibers Philip Glass, der bis heute 22 Opern auf seinem kompositorischen Konto aufweisen kann. Die Handlung gibt kaum etwas her: William (Gregor Dalal) kämpft mit kraftvollen Bariton-Ausbrüchen wechselnd erfolgreich gegen den Sog des szenischen Grauens. Roderick (Harrie van der Plas) mimt debile Verzweiflung. Madeline (Ella Tyran) hat den musikalisch anspruchsvollsten Part zu bewältigen und entledigt sich dieser Aufgabe mit Bravour.

Um die Monotonie von Musik und Szene aufzupäppeln, bevölkerte Regisseur Carlos Wagner die Bühne mit sechs Butoh-Tänzern, die immer mal wieder das House of Usher in gemessener Gangart umkreisen, dabei mit dem Kopf wackeln und kleine Kringel in die Luft malen (Choreographie: Fiona Copley). Ein gut gemeinter Einfall, der dann aber doch etwas präziser realisiert werden müsste. Das reichlich unkoordiniert wirkende Hantieren mit Neonröhren, die zuvor vom Bühnenhimmel herabgelassen wurden, hat nur einen begrenzten ästhetischen Wert.

Die Premiereneindrücke blieben zwiespältig. Vor allem für die Fans minimalistischer Klangzaubereien ist der Besuch ein „Muss“. Den übrigen mag der Griff ins Bücherregal genügen. Bei Edgar Allan Poe kann man dann auch all das nachlesen, was Philip Glass großzügig unter den Tisch fallen ließ.

Veröffentlicht am: 28.03.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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