Ist München schön?
In der Ausstellung "Munich inside/ Munich in sight" versuchen sieben Fotografen eine Annäherung an ihre Stadt.
Schönheit ist subjektiv. Das gilt für Menschen wie für Landschaften oder Städte. Die Schönheit einer Stadt wird zunächst geprägt durch ihre Bauten, Schlösser und Parkanlagen, wie sie in Bildbänden, Reiseführern oder Tourismusprospekten abgebildet werden. Lebt man in der Stadt, befasst man sich näher mit ihr, entwickelt sich mehr. Liebe womöglich. Durch Lieblingsorte, Erinnerung an Begegnungen, auch an Konfrontationen entsteht eine innere, ganz individuelle Schönheit.
So offenbart auch jeder der sieben Fotografen, deren Werke nun in der Whitebox zu sehen sind, seine ganz eigene Sichtweise auf diese Stadt. Die großformatigen Arbeiten von Rudolf Weber zeigen Fantasiewelten. Der Umbau von Schloss Nymphenburg. Wie ein Theatervorhang ist die Fassade des Mittelgebäudes weggezogen und eröffnet den Blick auf den menschenleeren Schlosspark. Davor schwimmen Schwäne Parade. Sein Blick zwischen die Welten montiert die BMW-Welt in den Kleinhesseloher See. FJS als Gralshüter in dem Bild "Das Dilemma der Bayerischen Staatskanzlei". Vor dem Siegestor startet eine stattliche Kirche als Raumschiff ins All. Weniger fantasiebeladen sind die Aufnahmen von Dieter Biskamp: Portraits von Biss-Verkäufern, denen so die Aufmerksamkeit zukommt, die sie verdienen und die sie trotz ständiger Präsenz im Stadtbild nur selten erfahren. Farbkräftige Fotografien sind zu sehen, im Untergrund entstanden zeigen sie flüchtigen Momente der ein- oder ausfahrende U-Bahnen hinterlassen.
Die Aufnahmen von Conny De Laan spielen mit dem Licht. Morgen- und Abendstimmungen an bekannten Gebäuden und Parks, aber auch an Seeufern aus dem näheren Umland entwickeln in der Dämmerung, im Büchsenlicht, ihren ganz eigenen Reiz. Petra Weiss lässt die Motive hinter Schleiern undeutlich werden, fast verschwinden. Die verklärte Schöne.
Ganz anders geht Edith Welser-Ude das Thema an. Sie zeigt weder Gebäude noch Stadtlandschaften. Zu sehen sind fünf Schwarz-weiß-Portraits türkischer Frauen, die in der 1960ern mit ihren gastarbeitenden Männern nach München übersiedelten, Kinder bekamen, daheim blieben, allenfalls in den Supermarkt kamen, ein kaum integriertes Leben hinter sich brachten und nun im Rentenalter im Rahmen eines Alphabetisierungsprogramms die deutsche Sprache oder überhaupt Lesen und Schreiben lernen. Der Betrachter schaut in stolze, von der Härte eines Lebens in der Fremde geprägte Gesichter. Die Bilder beeindrucken durch ihre Schlichtheit und Sachlichkeit. Ein Highlight der Ausstellung.
Die Ausstellung ist vielfältig und sehenswert. Die Whitebox mit ihrem großzügigen Ambiente bietet ihr einen exzellenten Raum.
"Doch der Kürze halber möchte ich die Definition geben, dass die Schönheit eine bestimmte gesetzmäßige Übereinstimmung aller Teile, was immer für einer Sache, sei, die darin besteht, dass man weder etwas hinzufügen noch hinweg nehmen oder verändern könnte, ohne sie weniger gefällig zu machen", schreibt Leon Battista Alberti in seinem um 1452 veröffentlichten zehnbändigen Traktat zur Baukunst.
In diesem, aber nicht nur in diesem Sinne ist München schön.
Bis zum 12. Juni in der Whitebox, Grafinger Str. 6 in München, Do. und Fr. 17-21 Uhr, Sa. und So. 15-20 Uhr.