Zaubertheater: Reigen der gestrichenen Rollen

von Michael Weiser

Magische Tage im „Theater und so fort“: Im Rahmen der „Münchner Zauberwochen“ feierte Solokünstler Gaston mit „Perrückt“ Premiere.

Wenn man sich nur vorstellt, wie viel Mühe auf einePerücke eines Staatsschauspielers für eine einzige Rolle verwendet wird: Mitunter sitzt eine Perückenmacherin eine Arbeitswoche lang da, um Haare durch eine Latexhaut zu ziehen. Und dann ruht dieses Kunstwerk auf dem Kopf des besagten Staatsschauspielers und nimmt vielerlei auf: die Rolle, das Lampenfieber, die Emotionen. Perücken, könnte man sagen, machen Leute und entwickeln dabei möglicherweise ein Eigenleben.

Gaston, der Theaterzauberer, macht aus dieser Idee einen ganzen Abend. „Perrückt“ heißt sein Projekt, das von Perücken handelt und ihrer geheimnisvollen Fähigkeit, Personen Leben zu verleihen, die von Shakespeare & Co. eigentlich aus ihren Stücken gestrichen worden waren. Und das macht Gaston mit viel Magie, gemäß dem Motto von Jean Eugène Robert-Houdin, dem Vater des Illusionismus: Ein Zauberkünstler ist ein Schauspieler, der einen Magier darstellt.

Ein diabolischer Österreicher – der Teufel muss ein Wiener sein – führt uns in den Abend und in ein Kellergelass, in dem ein Hilfsrequisiteur als Knecht eines von Action besessenen Intendanten sein Dasein fristet. Ein Mann auf einem Friedhof der abgesetzten Stücke und der gestrichenen Rollen, der nichts weniger ist als ein Totengräber. Vielmehr erweckt Gaston all diese Personen zum Leben: Perücke auf, und los geht das Rollenspiel. Gut zehn Rollen sind es, die Gaston verkörpert, tumber Held, Wachmann, Kokotte, beste Freundin von Romeos Julia, Nichte von Jeanne d'Arc. Zwischendrin erscheinen unter den Fingern des begnadeten Zauberkünstlers wie aus Zauberhand Käfige, Zitronen, Bälle. Als Mafioso Frankie Stiletto schafft es Gaston, eine brennende Zigarette nach der anderen hervorzuzuzaubern, bis er fünf Fluppen gleichzeitig schmaucht.

Nicht immer fesselt der Abend. Nicht jede Gestalt, die in dem Kellergelass auftaucht, trägt wirklich, dem Text täte Entschlackung gut. Manchmal ist da viel Klamauk. Insgesamt überzeugt Gaston durch schiere Ausstrahlung. Magie, wahre Theatermagie auch ohne Tricks, blitzt immer wieder auf. Etwa, wenn am Ende der Hilfsrequisiteur mit einem magischen Brief seinen Abschied nimmt. Raus will er, nach oben, dorthin, wo das Leben spielt. Sorry, Herr Intendant, das muss sein, und daher wünschen wir unserem Gaston bei seinem Unterfangen alles Gute!

Die „Zauberwochen“ noch bis zum 18. Juni. Gaston spielt „Perrückt“ noch heute, am 14. Juni, es folgen im „Theater... und so fort“ die Schweizer vom „Zauberpack“ und der Kanadier Gary Kurtz. http://www.zauberwochen.de/

Veröffentlicht am: 14.06.2011

Über den Autor

Michael Weiser

Redakteur, Gründer

Michael Weiser (1966) ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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