Lieber baden gehen als absaufen - Schauspielerprotest für höhere Gagen

von Angelika Kahl

Die Schauspieler vor dem Protestbad (Foto: Michael Zettler)

Partys, Stars, Champagner: Das Filmfest München hat begonnen. Aber anstatt sich auf den roten Teppichen der Stadt zu zeigen, sprangen rund 150 Schauspieler Samstagmittag in den Stachus-Brunnen.

Unter dem Motto "Wir gehen baden - und die Kultur mit uns" protestierten die Künstler gegen Dumpinglöhne und unzumutbare Arbeitsbedingungen. Jutta Speidel, Tim Bergmann, Hannes Jaenicke oder Götz Otto - sie alle planschten bei kühlen 17 Grad Außentemperatur im Wasser, um für höhere Löhne zu protestieren.

"Wir wollen keinen Missmut verbreiten, freuen uns über das Filmfest, auf dem tolle Produktionen laufen. Aber was gibt es eigentlich zu feiern?", fragt Heinrich Schafmeister, Vorsitzender des Bundesverbandes der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS). Es werden immer weniger Filme produziert, die Quote regiert alles, und die Tiere am Set verdienen oft mehr als wir." Ein Filmhund bekäme mindestens 350 Euro am Tag, eine Katze 400 und eine Kuh 450 Euro - ohne Tiertrainer, klagte Schafmeister. "Manche Schauspieler aber werden mit 50 oder 100 Euro am Tag abgespeist."

Eine, die mit Sicherheit mehr verdient als jede TV-Kuh, ist Jutta Speidel. Doch auch sie ist beim Bade-Protest mit vollem Bademützen-Einsatz dabei. "Ich kämpfe für meine Kollegen, denen es nicht so gut geht wie mir", sagte sie dem Kulturvollzug. Eine Arbeitslosenversicherung sei bei vielen Schauspielern einfach nicht drin. "Und am Ende landen sie dann bei Hartz IV." Hannes Jaenicke bestätigte: " 80 Prozent der Schauspieler treffen sich auf dem Sozialamt wieder, im Durchschnitt verdienen sie 18000 Euro im Jahr" - und da sind die Gagen der großen Stars mit eingerechnet. Sowohl Jaenicke als auch Speidel beklagten die mangelnde Solidarität unter den Darstellern. "Oft geht es nur noch darum, dass man sich gegenseitig die Rollen wegschnappt", erzählte Speidel. Und Saskia Vester, die sich ebenfalls die weiße Protest-Mütze über die blonden Zöpfe gezogen hatte, ergänzte: "Viele verdienen ein Zehntel von unserer Gage. Wie soll man sich da eine Altersvorsorge leisten.?"

Die nehmen sich die Rollen nicht gegenseitig weg (Foto: Michael Zettler)

Heinrich Schafmeister hat die Schauspielergewerkschaft 2006 mit einigen anderen Kollegen gegründet. Heute hat sie mehr als 1800 Mitglieder. Erstmals sitzt man nun mit Verdi und der Produzentenallianz am Tisch, um einen Mindestlohn auszuhandeln. Aber die Verhandlungen laufen zäh. "Das Angebot der Produzenten ist unterirdisch", berichtete Schafmeister. "Die haben uns Katzen-Niveau angeboten." Und von einer echten Erlösbeteiligung, zum Beispiel durch Wiederholungshonorare, sei man noch sehr weit entfernt.

400 Euro am Tag - darüber würden sich viele andere freuen. "Aber hinter jedem Drehtag stecken vier bis fünf tatsächliche Arbeitstage", erläuterte Schafmeister. Kostümproben oder Textlernen - dafür gebe es kein Extra-Geld. Im Gegenteil: Reise-, Übernachtungs- und Castingkosten müssten Schauspieler inzwischen sogar häufig selbst zahlen. "Hinzu kommt: Viele Schauspieler haben nur ein paar Drehtage im Jahr."

Albtraum Schauspielerei? "Nein, es ist ein absoluter Traumberuf. Wenn man Arbeit hat", sagte Jaenicke. Vor allem wenn man zu denen gehört, die mehr als eine TV-Kuh verdienen.

Angelika Kahl

Veröffentlicht am: 27.06.2011

Über den Autor

Angelika Kahl

Angelika Kahl ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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