Gezähmter Strauss bringt Beifallssturm: "Ariadne auf Naxos" bei den Opernfestspielen
"Etwas sehr Reizendes" wollte Librettist Hugo von Hofmannsthal mit seiner "Ariadne auf Naxos" schaffen. Das ist auch der Bayerischen Staatsoper gegelungen – nicht mehr und nicht weniger.
Adrianne Pieczonka hatte das Festspielpublikum als Primadonna gelockt, schließlich ist sie eine weltweit bewunderte Ariadne, nicht zuletzt seit der Münchner Premiere. Für sie sprang Emily Magee ein. Sie ist nicht minder passend für die Rolle, hebt zu lyrischen Höhenflügen ab und verleiht Ariadnes Seelennöten Würde.
In fast ebenso große Fußstapfen tritt Daniela Fally als Zerbinetta, denn die Premiere sang der Münchner Darling Diana Damrau. Doch Fally singt die extrem schwierigen Koloraturen in „Großmächtige Prinzessin“ mindestens ebenso tadellos wie ausgefeilt – und sorgt beim Publikum für den einen oder anderen Lacher. Auch wenn ihr zu der Aufreißerin Zerbinetta der letzte Schuss Dreistigkeit fehlt.
Mit Feuer wie am ersten Abend und wunderbar rundem Mezzo verkörpert Daniela Sindram den Komponisten. Die Androgyne verteidigt mit Pathos die hohe Kunst der Musik und stellt gleichzeitig einen tief empfindenden Naivling dar.
Dieser Östrogen-Ladung weiß Robert Dean Smith als Bacchus genügend Manneskraft entgegenzusetzen. Seine Stimme wirkt heldenhaft, auch wenn sie in der Höhe etwas kleiner wird. Smith verfügt über die Reserven, die man für eine solch anstrengende Partie wegen hoch liegender Tessitura braucht.
Ganz zu Recht bekommt Kent Nagano den größten Beifallssturm. Mit Eleganz lässt er rührende Momente entstehen, beispielsweise in den Najaden-Szenen. Er begeht den Fehler nicht, Strauss so laut zu spielen, wie es die Partitur eigentlich vorschreibt. Dadurch sind die Sänger frei und harmonieren mit dem Orchester.
Die Begeisterung ist groß: Im Parkett versichert man sich eifrig, dass dieses Ereignis auch den verregneten Heimweg wert wäre, selbst in einer Vorstellung ohne Pause und Festspiel-Champagner.
Sarah Hilgendorff