Die Kunst der Fügung: Die Münchner Indie-Band "Boy Android" steht mit erstem Album in den Startlöchern

von Clara Fiedler

"Musik ist immer ein Seelenstriptease": Die Münchner Band "Boy Android". Foto: Sebastian Sahm

Grau und regnerisch ist es an diesem Tag. Die wenigen Leute, die unterwegs sind, tragen Schirme und missmutige Gesichter. Hagen Fiedler, Sänger und Gitarrist der Münchner Indie-Band "Boy Android", begrüßt mit einem hintergründigen Lächeln und einem Kommentar zum Wetter. Ebenso Bassist Hannes Geiselbrecht, der trotz nächtlicher Feierlaune und anschließendem Morgengrauen seinen Humor nicht verloren hat.

Wenn es um die Band geht, zieht sich ein Begriff wie ein roter Faden durch die Erzählungen der beiden Musiker: „Glückliche Fügung“. Und das von der Gründungsgeschichte bis zum ersten Album, das im Moment auf seine Veröffentlichung wartet. Vor acht Jahren gab es diesen Abend, an dem die beiden sich mit Schlagzeuger Benni Woche und dem Gitarristen Manuel Rothe zum ersten Mal zu einer privaten Jamsession verabredeten, die laut Hannes das Ende einer musikalischen Durststrecke darstellte. „Wir hatten schon in unterschiedlichen Bands gespielt. Aber da haben wir gleich gemerkt, es passt“, erzählt er. Seitdem haben sie stilistisch gesehen auch einen großen Wandel durchgemacht.

„Es war alles viel schneller, härter und lauter“, erinnert sich Hagen und führt daraufhin als erstes Argument für die Umorientierung seine damals regelmäßig überstrapazierten Stimmbänder an: „Es war halt Scheiße, wenn ich danach immer heiser war.“ Und nach einer Pause fügt er an: "Es wär’ nicht ehrlich gewesen, so weiterzumachen. Wir haben verstanden, dass man Druck und Intensität auch anders erzeugen kann als mit Tempo und Härte.“ Die damaligen Fans reagierten enttäuscht auf die Hinwendung zu einem eher poppigen Sound. „Da fühlen wir uns echt missverstanden“, ist Hannes’ Kommentar dazu. Man warf ihnen vor, sie würden den leichten und kommerziellen Weg wählen. Das Ding dennoch durchzuziehen, verstand sich für sie anscheinend von selbst, denn wenn man sie nach ihrem Credo fragt, steht für sie eines ganz klar im Vordergrund: Ehrlichkeit.

„Für mich ist Musik dazu da, einen Text zu tragen. Wenn sie das nicht kann, ist der ganze Song nichts.“ Hagen lehnt sich zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf „Walk/run/flee“ wird das Album heißen, an dem sie zu viert seit über einem Jahr arbeiten

Aber das, was Hagen in Bezug auf die Songs mit „positiver Melancholie“ beschreibt, ist wie sein Lächeln im Regen: Was schmerzt, was einen bewegt oder ärgert, wird ausgesprochen. Es wird weder unter einem aufgesetzten Grinsen begraben, noch in zelebriertem Weltschmerz zwanghaft festgehalten. Es kommt zur offenen Begegnung, zum Hinterfragen. Eigentlich  das Gegenteil von Fluchtverhalten. Es ist genau die Ehrlichkeit zu sich selbst, mit der "Boy Android" auch den Weg eingeschlagen haben, den sie jetzt gehen und auf dem es ihnen gelingt, sich den gitarrenlastigen Tiefgang und das Ohrwurmpotenzial gleichermaßen zu bewahren. Genau die Ehrlichkeit, aus der glückliche Fügungen entstehen, mit der man sich öffnet, für Menschen, die hinter einem stehen. Solche, wie der Produzent Thomas Hahn, der zuerst eher aus der Not heraus einsprang, und sich dann als echter Glücksgriff entpuppte. Er organisierte nicht nur die Streicher auf dem Album, sondern auch noch eine ganze Palette an Musikern, die, wie Hannes immer noch fassungslos erzählt, unter anderem mit Banjo und Pedal Steel den vier Jungs das Wasser in die Augen trieben. Außerdem machte die Scheibe für das Mastering einen Umweg über Brooklyn und wanderte durch die Hände von niemand Geringerem als Joe Lambert, der unter anderem Größen wie den „Pet Shop Boys“ und Joe Satriani den letzten Schliff gab. Auf die Frage, wie sie diesen Mann an Land gezogen haben, erhält man ein Schulterzucken und ein zweistimmiges „Wir haben’s halt mal hingeschickt.“

Da gibt es noch etwas,  das durch dieses Auftreten deutlich wird:  Etwas, das Musik, egal welcher Art, von „gut“ zu „fantastisch“, von „ganz nett“ zum ständigen Ohrwurm werden lässt: Selbstverständlichkeit. Wenn man die hat, ist es nicht verwerflich, auf sich stolz zu sein, nicht größenwahnsinnig, sein Album nach New York zu schicken und auch nicht tödlich anstrengend, nach einem Arbeitstag noch stundenlang zu proben. Dann ist es einfach nur ehrlich.

Veröffentlicht am: 13.08.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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grapefruitlife
13.08.2011 14:30 Uhr

Endlich mal Pop, hier. Juhu. Bitte mehr davon. :) Schöner Artikel, hübsche Musik.