Freitagsgedanken (Folge 4): Zurück zum Ursprung?
Seit einiger Zeit habe ich meine Ernährung umgestellt. Ich esse hauptsächlich Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Brot. Alles andere gibt es vielleicht einmal die Woche. Wenn ich es überhaupt noch essen will, denn inzwischen hat sich wirklich meine Einstellung verändert. Ich stelle auch fest, es gibt Gemüsesorten, die ich bis dato gar nicht kannte. Also entdecke ich in meiner scheinbaren Restriktion neue Möglichkeiten. Übertragen wir das Ganze mal auf die Musik.
Man wächst vielleicht damit auf, spielt seine ersten Töne. Dann lernt man eine Durtonleiter. Und schon ist man in der Lage zu kreieren. Eine Weile ernährt man sich von dieser einfachen Kost, bis jemand kommt und darauf aufmerksam macht, dass es auch dorisch, phrygisch und mixolydisch gibt. Man beginnt zu üben, immer mehr und immer mehr, und versucht, den scheinbar unendlichen Materialschatz an Skalen aufzuarbeiten. Und am Ende kommt man vielleicht zu dem Schluss, dass das alles gar nicht nötig ist. Ich selbst stehe am Anfang dieses Prozesses. Die Meister des Fachs haben das längst verstanden.
Charlie Parker soll einmal gesagt haben: „Lern es und vergiss es.“ Er hat auch gemeint, es sei ja alles ganz einfach: „Play in time, in tune, and look for the pretty notes.“ Was bedeutet das übersetzt? Man soll sich am Ende die Töne suchen, die man selbst schön findet, die einem gut tun. Dafür aber braucht man Möglichkeiten, man muss gelernt haben, wie die Töne in ihren Zusammenhängen klingen. Und man braucht Regeln in Form von Time-Feel und einem Akkordschema.
Was herauskommt, ist meistens die Reduktion. Kein Meister quetscht all seine Fähigkeiten in ein Solo.
Zu mir hat mal eine Lehrerin gesagt: „Mit dem Einfachen willst Du Dich ja gar nicht abgeben.“ Nachdem sich die Wut darüber in mir gelegt hatte, begann ich zu begreifen: Das „Schwierige“, oder das künstlich erworbene, dient lediglich dazu, Möglichkeiten zu schaffen. Sich dann nicht für das Einfache entscheiden zu können, ist in diesem Fall Profilierungswahn. Ich entschied mich. Und dann stellte ich fest: C ist nicht gleich C. Wie Gemüse nicht gleich Gemüse ist. Es gibt in einer einzigen Note so viele Möglichkeiten. Genauso, wie man sich entscheiden kann zwischen Tomaten und Zucchini. Und ja, es gibt wunderschöne verrückte Tonleitern, es gibt auch herrliche Kuchen. Aber wer sich nur von Kuchen ernährt, wird irgendwann etwas vermissen. Vielleicht steckt in diesem Thema sogar eine richtige Weisheit.
Nicht umsonst versuchen wir Erwachsenen in gewisser Weise zurückzukehren. Zu dieser Einfachheit, der Offenheit und Unbefangenheit, die wir als Kinder hatten.
Aber könnten wir uns dafür entscheiden, wenn wir nicht die andere Seite kennen gelernt hätten? Um das Kreieren noch einmal aufzugreifen: Das kann man nur aus der Einfachheit heraus. Auf einem Terrain, das man beherrscht. Nehmen wir Mozart, Beethoven, Haydn. Die Kopfthemen der Größten ihrer Symphonien und Konzerte bestehen aus Akkordtönen, Tonleiterfragmenten, einer schönen Melodie, nicht mehr.
Also: Warum nicht einfach mal Mozart auflegen, wenn alles zu viel zu werden scheint, und sich daran erinnern, wie man als Kind aus ein paar Legosteinen eine Burg gebaut hat. Sich ins Gedächtnis zu rufen, dass jeder, der Essen liebt, auch kochen kann. Denn das, was uns bisweilen so komplexitätssüchtig macht, ist die Tendenz dieser Gesellschaft, eine Herde an schwarzen Schafen sein zu wollen. Einfach kann ja jeder. Aber übersehen wir dabei nicht, dass wir schon einzigartig sind? Und dass eigentlich das unsere größte Angst ist? Fragen über Fragen. Und alles nur wegen dem verdammten Gemüse...