“Wenn Du das durchgezogen hättest..." - Der 11. September und die Frage, was man hätte verhindern können: Der Münchner Peter Hoffmann hat seine ganz eigenen Erinnerungen zum Angriff auf Amerika
Peter Hoffmann lebt und arbeitet als Journalist in München und in den USA. Der 69-Jährige besitzt einen Flugschein und ist darüber hinaus in Sicherheitsfragen geschult. Wenn nun zum zehnten Jahrestag der Attentate vom 11. September 2001 gedacht wird, hat Hoffmann seine ganz eigenen Erinnerungen: Er wird das Gefühl nicht los, er hätte einigen der Terroristen bei ihren Anschlagsvorbereitungen in die Quere kommen können. Und das ist konkreter, als man im ersten Moment glauben mag.
Herr Hoffmann, Sie waren im Dezember 1999 bei der Flugschule Huffman Aviation in Florida, also etwa ein Jahr bevor dort die späteren Attentäter des 11. September 2001 Flugunterricht namen. Können Sie sich erinnern, welchen Eindruck dieser Betrieb auf Sie machte?
Auf den ersten Blick sah das alles hervorragend organisiert aus, die mir zugesandten ‘Flyer’ der Huffman-Werbung zeigten ein richtig vornehmes Entree, Fluglehrer in Uniform, eine einheitlich lackierte Fliegerflotte. In der Realität stand ich dann vor einem regelrechten Wrack: ein völlig verwahrlostes Haus, bröckelnder Putz, Rost überall, von Security keine Spur. Ich habe mich vor der Eingangstüre zu meiner Frau umgedreht und gesagt: “In dieser Bruchbude bleiben wir nicht.”
Das klingt wie das Klischee eines Terroristenversteck.
Zumindest war der Umgang mit dem Thema Sicherheit dort offenbar wirklich erschreckend lax. Ein anderer Pilot hat mir dieses später bestätigt. Er konnte dort einfach am Counter vorbei bis aufs Flugfeld laufen, schaute sich alle Flugzeuge an, bei manchen steckte noch der Zündschlüssel.
Sie sind selbst Flieger und oft in den USA unterwegs. Wie entstand ihr Kontakt zu Huffman Aviation?
Ende der 90er Jahre suchte ich nach einem neuen Geschäftsfeld. Da die Fliegerei ohnehin mein Hobby ist, wollte ich in den USA eine Art internationale Flugschule etablieren, die vor allem europäische Flugbegeisterte anspricht. Für diese Idee suchte ich eine geeignete amerikanische Firma. Ich hatte mir an der Ostküste bereits einige angeschaut, da fand ich plötzlich eine Annonce dieses Unternehmens in dem Örtchen Venice. Ich fand es auch witzig, dass sein Name so klingt wie mein eigener Nachname. Und in der Werbung sah das wirklich verlockend aus, da dachte man, die residieren in einem kleinen Schloss.
Sie hatten auch Kontakt zum damaligen Eigentümer dieser Flugschule, ein Holländer, dem nach den Anschlägen Kontakte zur Unterwelt nachgesagt wurden. Wie hat er auf Sie gewirkt?
Ich hatte ein oder zwei telefonische Kontakte mit ihm. Er kam mir eigenartig vor. Vor allem, da er angeblich immer nur Arbeit und kaum einmal ein paar Minuten Zeit für mich hatte.
Was haben Sie gedacht als herauskam, dass Huffman Aviation einer der Orte war, an dem die Terroristen ihre Anschläge vorbereiteten?
Ich hatte sofort den Gedanken: Wenn mir das damals zu Ohren gekommen wäre, dass da zwei Typen eine Pilotenausbildung haben wollen, aber kein Interesse am Lernen von Start und Landung zeigen - da hätte ich mich eingeschaltet, da hätte ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Schließlich bin ich durch meine Arbeit für die US Air Force auch in Sicherheitsfragen geschult. Und diese Typen waren nur auf Zielanflüge und Streckenflüge aus, und sie wollten die Instrumente von bestimmten Großflugzeugen kennen lernen. Wenn das nicht seltsam ist!
Kann man sagen: Das hätte eigentlich jedem auffallen müssen?
Normalerweise ja. Aber hier sind die Amerikaner schon immer sehr großzügig gewesen. Die sagen sich: Andere Länder, andere Sitten - und wenn die zwei Typen das so wollen, dann ist das deren Sache, solange sie dafür bezahlen.
Ist es übertrieben zu behaupten, dass Sie damals in Venice eine Hand ans Rad der Weltgeschichte hätten legen können?
Nun, immerhin hat mir mal ein amerikanischer Zwei-Sterne-General gesagt: “Peter, wären sie Dir direkt über den Weg gelaufen, Du hättest bestimmt eingegriffen. Du hättest die Weltgeschichte umgesteuert. Aber leider hast Du diese Huffman-Sache nicht durchgezogen.” Vielleicht hat er Recht, aber für mich kam so eine Kaschemme wie diese Firma als Partner nicht in Frage.
Hat sich in den zehn Jahren seit den Attentaten die Sicherheit auf US-Flugplätzen in der Provinz verbessert? Könnte man heute dort immer noch unbehelligt Zielanflug lernen?
Es ist vieles besser geworden. Aber hundertprozentige Sicherheit bietet kein Flugplatz dieser Welt, das ist auch heute noch so.
Haben die Amerikaner ihre Lockerheit behalten?
Viele haben den 11. September schon wieder verdrängt. Direkt nach den Attentaten gab es ganz strenge Auflagen, die sogar dazu führten, dass ich als bekanntes Mitglied eines Fliegerclubs gescannt wurde. Das ist heute nahezu verschwunden. Wegen der speziellen amerikanischen Mentalität war ich lange auch sehr begeistert von dem Land. Aber es gibt heute dort mehr Bürokratie als man denkt. Und auf der anderen Seite Freiheiten, die uns Europäern gefährlich erscheinen.
Beschäftigt Sie ihr persönlicher Berührungspunkt mit der 9/11-Geschichte heute noch?
Ich werde das nie abhaken können. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, dass man selbst so nah dran war an einer Stelle, wo man vielleicht tatsächlich den Lauf der Welt positiv hätte beeinflussen können. Andererseits: Hätte man damals diese Typen rechtzeitig verhaftet, wäre das sicher nur eine kleine Meldung gewesen. Denn man hätte ja nie erfahren, was sie wirklich anrichten wollten. Auch insofern sage ich mir: Der Gedanke ist faszinierend, aber letztlich nutzt all das Spekulieren nichts.
Das Interview erscheint auf Wunsch von Peter Hoffmann ohne ein Foto von ihm, da er wegen seiner Beziehungen zur US Air Force keinen sicherheitsrelevanten Anhaltspunkt bieten möchte.