Galina und Nikolay Scryl scheitern in der Whitebox mit ihrem Versuch, durch Malerei die Welt zu erklären

von Achim Manthey

 

G8-Ozean der Wünsche (c) Galina und Nikolay Scryl

Die Ausstellung "Kunst kongruent" in der Whitebox zeigt den Versuch des russischen Künstlerehepaars Galina und Nikolay Scryl, durch das Zusammenführen von Kunst und Wissenschaft zu erklären, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ein Scheitern in bunten Bildern.

Kunst muss nicht selbsterklärend sein, darf sie heute auch nicht. Wenn allerdings das, was gezeigt wird, erst nach einer Suada wissenschaftstheoretischen Gefasels von Dreiecken, Zahlenreihen und Elementarteilchen erklärbar werden soll, hört es auf.

Seit mehr als 25 Jahren arbeitet sich das russische Künstlerehepaar Galina und Nikolay Scryl daran ab, das Universum interdisziplinär, durch das Zusammenführen von Kunst und Wissenschaft zu erklären. Nikolay Scryl gibt dabei den Theoretiker. Auf einer Tafel aufgebrachte Formeln, geometrische Formen und Zeichnungen, die positive und negative Einflüsse, die Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart beschreiben, sollen die Logik, die in dieser Neuentdeckung des Universums liegen, verdeutlichen.Ein Dreieck, bestehend aus aufrechten und auf den Kopf gestellten kleineren Dreiecken, deren Kanten durchnummeriert sind, werden durch starke Farben markiert, Rot oben, Gelb links, Blau rechts. Dass bei der angegebenen Ziffernfolge von eins bis acht die sechs unter den Tisch fällt, ist offenbar Teil einer besonderen Logik, die sich jedoch auch nach den langatmigen Erläuterungen des beim Ausstellungsbesuch anwesenden Künstlers zu seinen bildgewordenen Theorien nicht wirklich erschließt.

Sechs pflanzliche Farbzustände (c) Galina und Nikolay Scryl

Dabei können die Bilder durchaus beeindrucken. Geometrische Formen, insbesondere das Dreieck, aber auch Rechtecke, tauchen immer wieder auf. Als "Ergebnis des Urknalls" von 2004, einem in starken Farben gehaltenen Werk, ergibt sich bei näherer Betrachtung eine Schablonisierung als Tendenz zur irdischen Grundordnung. "Sechs pflanzliche Farbzustände" von 2008, ein aus sechs Einzelbildern bestehendes Werk, ist aussagekräftig, ohne dass sich der Kontext mit dem über allem stehenden Thema erschließen würde. Kritik mit Aktualitätsbezug gibt es auch: "Kalt und heiß - beides Scheiß" von 2011 zeigt in einem Doppelbild den Atommeiler als Stromlieferanten und nicht beherrschbaren Katastrophenauslöser nach dem Knall. "G8-Ozean der Wünsche" zeigt die internationle Politik in ihrem durch einen Nachttopf symbolisierten Scheitern. Originell die Mona Lisa vor einer Wand auf den Kopf gestellter Pissoirs in "Kongruente Form I + II", die sich selbst in dem Werk II in ein die Hände übereinander legendes Pissoir verwandelt. Auch hier wieder die Aufnahme des Dreiecks als Grundform.

Weniger theoretisierend erscheinen die Werke von Galina Scryl. Da gibt es eine farbenfrohe Fliederfläche zu sehen oder einen in düsteren Farben dargestellten Frauenakt. Eine Reihe "Spiegel" gibt ähnliche Motive auf weißem, schwarzem, violetten, roten, grünen, blauen und organgenem Untergrund wieder, markiert durch Profile von Köpfen aus der Renaissance, die schießlich in einer Matrix wieder aufgenommen werden. Die "Vorhersagungsmatrix" von 2011, ein aus 64 Einzelbildern bestehendes Werk, nimmt das Dreiecksmotiv wieder auf. Die 8 als magische Zahl. 8 mal 8 ergibt 64. Das kann man auch willkürlich erreichen, wie in der Gemälde-Kombination "Roseninsel und Seelilien" und "Seelilien von Monet" von 2011, die jeweils aus 32 Einzelbildern bestehen.

Der Wittgenstein'schen Maxime soll das alles folgen. Im Vorwort zu seiner Logisch-philosophischen Abhandlung ist zu lesen: "Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und worum man nicht reden kann, darüber muss man schweigen." Bezogen auf die Ausstellung heißt das, dass die Idee zu kopflastig ist. Dem Betrachter wird eine überintellektualisierte Betrachtung oktroyiert, die das Gezeigte nicht hergibt. Das, was zu sehen ist, gefällt. Das Konzept scheitert.

Bis zum 25. September 2011 in der Whitebox, Grafinger Str. 6 in München, Do u. Fr. 17-21 Uhr, Sa u. So 15-20 Uhr

Veröffentlicht am: 18.09.2011

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