Moderne Mythen im melancholischen Gewand: "Les Jupes" mit "Modern Myths"
Manchmal ist es doch erstaunlich und gleichzeitig herrlich, wie der Indierock einen Soundtrack zur kultivierten Melancholie liefert, der Spaß macht. Auch „Les Jupes“ aus Winnipeg/Kanada erweisen sich als Meister darin, mit einem Lächeln Synonyme für die Farbe Schwarz zu finden, ohne sie in ihrer Grundtextur zu verändern. Vor allem die Stimme von Mike Petkau Falk sticht im Intro schon hervor, wie ein Schloss mitten im Kornfeld. Kornfeld deshalb, weil das Umliegende keineswegs eine Einöde darstellt, sondern eine fruchtbare Landschaft, die ihr Potential vollends ausschöpft.
Hin und wieder sieht man eine rote Mohnblume im wogenden Gelb, etwa in Form sitarartiger Gitarrensounds oder wilder Klavierparts. Es ist eine positive Art von Verstörung, die sich da im Solopart von „A Caveman Returns Home to find the Fire has gone Out“ offenbart. Und „Les Jupes“ werden sich hüten, diesen Zustand in Klarheit aufzulösen. Was einem bleibt, wenn das grelle Feuer erlischt, ist die sanftblaue Ruhe von „This Place Owes Us“.
Die Nacht senkt sich in mehrstimmigen Vocals über das Kornfeld, die Wände von Falks Stimmschloss werden fahl und gehaucht, als wolle er einfach niemanden aufwecken. Spätestens bei „Mathematics“ sind wir wieder da, wo wir herkommen: Straight, rockig, eingängig präsentieren sie sich auf einmal. Ein Ansatz zum erneuten Sturm? Mitnichten! „Last Dance“ beginnt so ruhig, schwingt ein bisschen, wiegt sich in seinen Gitarren, bevor es sich erwartungsvoll steigert und in eine Melodie mündet, die absolutes Ohrwurmpotential hat.
Was ist ein Mythos? So etwas wie ein Märchen. Eine Metapher für das, was passiert, die sich hinter der Maske einer fantastischen Handlung verbirgt. Eine Mythologie besteht aus Gottheiten, heiligen Orten und zauberhaften Wesen. Mythen sind vor allem eines: Geschichten. Und Geschichten müssen spannend und bunt bleiben, um den Hörer und den Erzähler gleichermaßen zu fesseln. Sie müssen auf der anderen Seite Elemente beinhalten, die bekannt sind, damit eine Identifikation stattfinden kann. „Modern Myths“ schafft das spielend. Falk selbst versteht unter diesen modernen Mythen die Lebenslügen eines jeden Menschen. Das Gebäude, das um das eigentlich ängstliche und heruntergewirtschaftete Selbst errichtet wird. Anstatt es zu stärken und wieder aufzubauen wird es geschützt wie ein wundes Tier.
Die ersten Takte des Rausschmeißers "Awake, My Ghost!" klingen nach einer Aufforderung. Es ist, als wolle er seinen Hörern zurufen: "Ich habe euch gezeigt, wie es ist. Nun geht, und ändert es!" Und auf einmal findet sich diese Epik in den Gitarren, die Stimme steht da, wie eine Kathedrale und man wird mitgerissen. Die Düsternis ist noch da, ohne Zweifel, denn auch auf dem Weg ins Licht wird man das ein oder andere Mal fallen und wieder aufstehen. Was verflogen ist, ist die Unruhe, die innere Aufruhr. Schön und schlüssig ist das. Etwas, was man immer wieder hören kann, um sich das alles ins Gedächtnis zu rufen, wenn man vergessen hat, wofür man eigentlich kämpft.