Freitagsgedanken (Folge 14): "Lieder über Frauen" oder: "Es klingt, wie es klingt, sagt die Liebe?"

von Clara Fiedler

Hart oder Zart? Egal, Hauptsache, es kommt an, das musikalische "Ich liebe Dich". Foto: fie

"Waltz For Debbie". "Blues For Alice". "Have you met Miss Jones". Fällt Ihnen was auf? Ja, genau. Alles Jazztunes. Und alles Stücke, die sich an Frauen richten. Weil sie die ja so schön sind, so anmutig, so was-auch-immer und weil man(n) ja keine so sehr lieben wird, wie die, für die man mal den Blues schrieb. Zumindest so lange, bis man den Blues mit ihr hat.

Strohfeuer oder konstantes Ich-will-mit-Dir-alt-werden-Ding? Musik entsteht ja bestenfalls immer aus Leidenschaft. Leidenschaft für Musik. Aber die Leidenschaft für eine Person bringt teilweise sogar den allerschlimmsten Hobbyklampfer dazu, irgendeinen Song zu schreiben. Was also, wenn das, was hinter diesen ganzen Stücken steht, komplett unromantisch ist? - Was? Es gibt keinen Weihnachtsmann?

Im Fall von diesen Musikern, aus deren Federn solche Perlen wie "Blues For Alice" stammen, ist es offenbar wirklich das Liebesgeständnis in der Sprache, in dersie sich am wohlsten fühlen. Ich würde sogar weiter gehen und sagen: Allen, die auch unverliebt eine Leidenschaft für Musik haben, ist das völlig abzukaufen, ganz egal, was es ausdrückt. Was die Hobbyklampfer betrifft, ist es wohl weniger romantisch. Da ist es wohl eher: Schau mal, ich blamier mich sogar für Dich. Will man das?

Andererseits haben wir Mädels es ja auch leicht. Oder...? Frage an die Jungs: Würde Euch das  gefallen, wenn dieFreundin ein Lied für Euchschreiben würde? Oder ein Gedicht? Ist das noch romantisch? Wahrscheinlich würde man die Frau als Emanze verstehen, die einen "Gentleman" raushängen lässt, der sie nicht sein kann. Das ist, als ob manals Mann von der Frau die Tür aufgehalten bekommt und sie versucht, einem in den Mantel zu helfen. Das kann man als Paar machen, wenn man Humor hat. Aber ich habe in einem romantischen Kontext noch keinen Mann erlebt, den ich mit einem solchen Verhalten nicht irgendwo vor den Kopf gestoßen hätte.

In der Popmusik ist das ein bisschen anders: Wenn Frauen über Männer singen, haben sie meistens Liebeskummer. Dann ertrinken sie in ihrem Selbstmitleid. Wenn Männer über Frauen singen, haben sie meistens Sehnsucht und ertrinken auch in ihrem Selbstmitleid. Das ist unheimlich produktiv und wird überwiegend von Leuten gehört, die auch gerne mal ein solches Bad nehmen. Letztenendes muss man leider feststellen: Es gibt wenig Musik, die von glücklicher Liebe erzählt. Meistens ist das mit Schmerz verbunden. Dazu braucht man nicht einmal einen Songtext. Da kann man auch ganz einfach "Für Elise" hören. Womöglich gab es in Beethovens Leben mehr als eine Elise, und die haben sich darum gerissen. Solange jedenfalls, bis ein genialer Musikwissenschaftler Beethovens Sauklaue entzifferte und behauptete, das hieße "Für Therese".

Die ganze Geschichte erzwingt den Schluss, dass Musik an sich nichts Romantisches ist. Sie ist nach Belieben formbar und kann genauso gut Hass transportieren, wenn ihr Interpret das will. Es ist nicht die Musik. Es ist der, der sie spielt und seine Intention. Und deshalb ist es auch oft peinlich, wenn einer, der zur Musik eigentlich keine Verbindung hat, versucht, ein Liebeslied zu schreiben. Es ist, als wolle er auf Chinesisch sagen "Ich liebe Dich". In einer Sprache, mit der ihn eigentlich als Sprecher nichts verbindet. Wie soll die Angebetete das verstehen? Warum nicht eine Sprache sprechen, die man kann? So eine hat jeder.

Veröffentlicht am: 21.10.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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