Freitagsgedanken (Folge 15): Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Es sei denn, man ist Geigenschüler.

von Clara Fiedler

Nein, es ist nicht fröhlich am Anfang. Absolut nicht. Foto:fie

Er gilt gemeinhin als Landplage, ist erstmal nicht ernst zu nehmen und überhaupt bräuchte er für seine Tätigkeit einen Waffenschein: der Anfänger. Besonders schlimm ist es meiner Erfahrung nach, wenn er zur Geige greift. Obwohl sich ein Trompetenlehrer wahrscheinlich auch erstmal Ohropax besorgt, wenn da ein fünfjähriger, von Mami genötigter Pimpf vor ihm steht und ins Instrument spuckt.

Streich- und Blasinstrumente sind erst einmal eine Qual für alle Beteiligten und das Positive an der Situation ist schwer zu erkennen. Mein Opa hat das anscheinend geschafft, denn mein Vater erzählt immer wieder, dass selbiger einmal über ihn sagte: "Wenn der Geige spielt, haben wir keine Mäuse mehr im Haus."

Die Klavierlehrer dürften sich da eigentlich nicht beklagen, obwohl sie das tun. Ein Musikerkollege lag nach einer Bandprobe in seinem Sessel und stöhnte gequält. Als ich ihn fragte was los sei, sagte er: "Morgen kommt die Annette und spielt Chopin." Ich: "Und...?" Er, kraftlos: "Das ist so schrecklich...!" Wo wir gerade bei Klavierschülern sind: Nicht alle sind schrecklich. Beethoven zum Beispiel fand vor allem die Klavierschüler adligen und weiblichen Geschlechts nach einschlägigen Biographen ganz fantastisch.

Das erstere war dafür verantwortlich, dass Beethovens Eroica besser funktionierte, als seine Erotika, wenn er über Gräfin Julie Guccicardi schreibt: "...hat ein liebes zauberisches Mädchen hervorgebracht, die mich liebt, und die ich liebe, es sind seit 2 Jahren wieder einige seelige Augenblicke, und es ist das erstemal, daß ich fühle, daß – heirathen glücklich machen könnte, leider ist sie nicht von meinem stande“. Zweifelsohne wäre das nicht passiert, wenn sie eine Geigenanfängerin gewesen wäre. Obwohl... Beethoven war zu der Zeit schon fast taub.... Mit Josephine Brunsvik hatte er nicht mehr Glück. Also: Schüler sind und bleiben etwas Dramatisches für den Musiker. Das ist einfach so.

Etwa in der "Klarinettenstunde", einem Sketch von Karl Valentin. Da kommt der kleine "Maxl" das erste Mal zur "Klarinettstunde" und stellt sich als Wunderkind heraus, das in der ersten Stunde schon den Lehrer (Valentin) an die Wand spielt. Zum Schluss sagt Valentin: "Na, Du brauchst nimmer zur Klarinettstunde kommen. Hast Du am Mittwoch frei?" Der Maxl: "Ja." Valentin: "Dann komm' ich zu Dir." Das ist wirklich dramatisch.

Wo wir gerade noch bei Beethoven waren: Der muss seinem Lehrer Joseph Haydn auch ganz schön auf die Nerven gefallen sein. Also ist es genau in zwei Fällen gefährlich für den Lehrer: Entweder, der Schüler ist miserabel, oder einfach zu gut und dann auch noch eigensinnig. Oder der Lehrer selbst hat einen nicht unerheblichen Dachschaden, wie die Pianistin Erika Kohut in Elfriede Jelineks "Die Klavierspielerin".  Meistens ist der, der am meisten drunter leidet sowieso weder der Lehrer, noch der Schüler, noch die Eltern. Sondern der Nachbar.

Oder kannten Sie den noch nicht: Der kleine Franz übt Klavier, als es an der Tür klingelt. Die Mutter öffnet, draußen stehen ein paar Polizisten. Auf ihren fragenden Blick hin sagt der eine der Beamten: "Wir haben einen Anruf bekommen, dass hier ein Herr Schumann brutal misshandelt wird."

 

Veröffentlicht am: 28.10.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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