Wucht, Ereignis, Triumpf, Verführung: "Der Weibsteufel" ist Kusejs erster richtiger Paukenschlag am Resi

von Gabriella Lorenz

Nicholas Ofczarek, Birgit Minichmayr, Werner Wölbern (v.l.). Foto: Georg Soulek/Burgtheater

Endlich ist Martins Kusejs Regiekunst auch im Münchner Resi-Repertoire angekommen. Nach seiner geschmerzt-gestelzten Schnitzler-Inszenierung zum Einstand und der aus Berlin übernommenen „Peggy Pickit“-Produktion, einer Schauspieler-Exercice am untauglichen Text, zeigt sich die Handschrift des neuen Intendanten bisher am deutlichsten in „Der Weibsteufel“.

Kusej hat das Stück von Karl Schönherr 2008 im Wiener Burg-Studio Akademietheater inszeniert, die Aufführung wurde mehrfach preisgekrönt. Der heftige Applaus bei der München-Premiere galt Kusejs zupackender Regie, aber mehr noch den neuen, aus Wien importierten Theaterstars Birgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek sowie Werner Wölbern als drittem Mann.

Bühnenbildner Martin Zehetgruber, der Kusej seit 1990 begleitet, ist hier wirklich ein Co-Regisseur. Er kippt eine Ladung riesiger gefällter Baumstämme auf die Bühne, die dort schräg und gefährlich steil verkeilt herumliegen. Darauf müssen die Schauspieler ständig absturzgefährdet ihre Gefühle und Leidenschaften ausbalancieren: Jeder Schritt könnte ein falscher sein. Mit dieser überwältigenden, fast apokalyptischen Szenerie befreit Kusej das 1915 uraufgeführte Drama von jedem Naturalismus und den später als Blut-und-Boden-Dichter in Verruf geratenen Autor Karl Schönherr vom Heimat-Stigma.

Es geht existenziell um Liebe, Leidenschaft, Verrat und Gier: Ein Hinterwäldler-Ehepaar lebt von Hehlerei. Als der impotente Mann hört, ein Grenzjäger solle seiner Frau schöne Augen machen, um sie auszuspionieren, kehrt er den Spieß um: Sein zunächst widerstrebendes Weib soll mit dem Jäger anbandeln, damit die Schmuggler ungestört die Ware wegschaffen können.

Die Frau begreift das Spiel schnell. Mit dem Jäger, der ihr sofort verfällt, erlebt sie zum ersten Mal erfüllenden Sex. Dann manipuliert sie den Liebhaber bis zum Mord an ihrem Mann. Und lässt ihn triumphierend fallen: „Du hast ihn umgebracht, du ganz allein“, sind ihre letzten harten Worte an den Jäger, der im Zuchthaus landen wird. Sie hat sich emanzipiert, wird kein Spielball der Männer mehr sein. Sondern stöckelt auf dem Baumstamm ihrem neuen Haus entgegen.

Die Schauspieler sind mit ihrer Körpersprache genauso eine Wucht wie die Bühne. Werner Wölbern spielt den geldschlauen, eifersüchtigen Mann mit gefährlicher Raffinesse. Nicholas Ofczarek torkelt als außen rauer, innen zu weicher Grenzjäger ergreifend zwischen Leidenschaft und Pflicht aus der Lebensbahn. Denn Birgit Minichmayr drängt sich so eng an ihm vorbei, dass er sie umarmen muss. Lockend öffnet sie ihre Schenkel und verschließt den Mund, ist Keuschheit und Verführung zugleich. Von den Männern getragen, ist sie das Ereignis des Abends.

 

Residenztheater, 19., 23., 25., 30. Nov. 13., 17., 18. Dez., 2. Jan., Tel. 2185-1940

Veröffentlicht am: 15.11.2011

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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