Klavierabend Alice Sara Ott -Ausnahmetalent hinterlässt gemischte Gefühle

von Volker Boser

Alice Sara Ott (Foto: Esther Haase/DG)

Sie wird mächtig gefördert, von ihrer Plattenfirma, die ihr unlängst gestattete, eine Beethoven-CD aufzunehmen, sicher auch von den Eltern, obwohl die Mutter zunächst gegen ein Klavierstudium der Tochter war: mittlerweile gehört die 23-jährige Deutsch-Japanerin Alice Sara Ott aus München zu denen, über die in der Branche gesprochen wird. Und das nicht nur deshalb, weil sie die schicke Angewohnheit hat, sich barfuss an den Flügel zu setzen.

Wie ihr Münchner Klavierabend im nahezu ausverkauften Prinzregententehater bewies: sie kann viel, aber (noch) nicht alles. Zwanzig grandiose Liszt-Minuten waren zu bestaunen, das übrige Programm demonstrierte leider allzu deutlich, was der jungen Gipfelstürmerin noch fehlt.

Man kann den Pointen in Beethovens früher Sonate Op. 2 Nr. 3 auf unterschiedliche Weise beikommen: brillant, lakonisch, unbefangen zurückhaltend. Man kann die Sonate auf Mozart zurückführen oder das Zukunftweisende in ihr herausarbeiten. Alice Sara Ott setzte sich zwischen alle Stühle. Sie spielte kühl, nahm viel zu schnelle Tempi, machte weder klar, was die einzelnen Motive der jeweiligen Sätze miteinander zu tun haben, noch fand sie in Ausdruck und Dynamiik eine angemessene Balance.

Ähnlich enttäuschend musizierte sie nach der Pause fünf der bekanntesten Walzer von Chopin - rhythmisch maniriert, ohne Charme und Raffinement.

Ein verlorener Abend, dachte man, weil auch die einleitenden Duport-Variationen Mozarts nur brave Klavierstunden-Virtuosität boten. Doch dann die Überraschung: Die abschließende Liszt-Auswahl ("Rigoletto"-Paraphrase sowie aus den zwölf "Etudes d' exécution transcendante") bewältigte Alice Sara Ott derart grandios, dass man eine andere Pianistin auf dem Podium wähnte: mit unglaublicher Sicherheit, Kraft und jener ekstatischen Maßlosigkeit, die um Längen angemessener ist, als der brave, intellektuelle Ernst, mit dem sich die meisten ihrer Kollegen hier aus der Affäre stehlen. Ein Feuerwerk bei Liszt, Hilflosigkeit gegenüber Beethoven, aber auch Chopin. Das überraschte dann doch und provozierte geradezu die Frage, wer dieses Ausnahmetalent bei der Programm-Auswahl berät.

 

 

 

 

Veröffentlicht am: 29.11.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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