Karl Moor und seine Räuber wüten durch Haidhausen
In Haidhausen inszeniert das Laientheater Johann Baptist Schillers Räuber. Mehr als ein Jahr hat sich das Ensemble vorbereitet. Bei der Premiere konnte man sehen, dass sich der Aufwand mehr als gelohnt hat.
Wie ein Wurm windet sich Franz Moor (Florian Simonsen) über die Bühne, nie steht er frei, stets muss sich dieses rückgratlose Geschöpf an etwas festklammern um nicht in sich zusammen zu fallen. Leichtfüßig, fast unbeholfen, dagegen der Bruder Karl Moor (Wolfgang Ringer). Franz in schummrig blaues Licht getaucht, Karl dagegen bei jedem Schritt gut ausgeleuchtet. So präsentieren sich die Brüder Moor aus Schillers Räubern beim Theater Johann Baptist. Das besondere: Das Ensemble besteht bis auf wenige Ausnahmen aus Laien. Anderthalb Jahre haben sie zusammen gearbeitet, um dieses Projekt auf die Beine zu stellen. Und dieses gemeinsame Arbeiten, oder mehr noch das offensichtliche Zusammenwachsen der Gruppe ist für die Verantwortlichen das wichtigste Ergebnis der Produktion. Darüberhinaus ist eine durchaus ernst zu nehmende Inszenierung entstanden.
Als Bühne dient ein Baugerüst, vor dem zwei Ebenen aufgebaut sind, getrennt durch die Theaterband. Links agieren Karl und seine Räuberbande in den böhmischen Wäldern, angedeutet durch grüne Plane am Gerüst; rechts intrigiert Franz am Schreibtisch seines Vaters. Die Band dazwischen führt die Zuschauer jeweils vom einen Schauplatz zum anderen. Außerdem hat sich Regisseur Markus Schön dazu entschlossen, die Emotionen seiner Schauspieler durch musikalische Einschübe zu unterstreichen. So erfährt zum Beispiel Franz Moor: „Ein Biest lebt in deinem Haus, du schließt es ein, es bricht aus“ (Peter Fox). Und bei seiner Rückkehr nach Hause verkündet Karl: „Ich bin wieder hier in meinem Revier“ (Marius Müller Westernhagen).
Das Revier, in dem das Räuber-Projekt entstanden ist, ist Haidhausen. Das Theater Johann Baptist, eine Art Stadtteiltheater, versammelt unter dem Schirm der Pfarrei. Seid 17 Jahren arbeitet die Gruppe zusammen, in wechselnder Besetzung. Drei Inszenierungen sind in den letzten Jahren entstanden: Der Lügner (Carlo Goldoni), Der starke Stamm (Marieluise Fleißer) und Mutter Courage (Berthold Brecht). Besonders stolz sind die Verantwortlichen darauf, mit ihrem Projekt auch kulturelle Integrationsarbeit zu leisten. So auch dieses Mal: Einer der Banditen aus Karl Moors Räuberbande hatte bei einem gemeinsamen Besuch von Shakespeares „Richard III.“ sein theatrales Erweckungserlebnis. Vorher noch nie im Theater gewesen, wollte er danach unbedingt eine Rolle im Ensemble.
Auf der Bühne spielt er mit der gleichen Leidenschaft wie alle anderen. Auch wenn hier keine Profis auf der Bühne stehen, entwickeln sich so authentische Charaktere. Das bemerkenswerteste Beispiel dieses Abends ist Florian Simonsens Franz Moor. Vom Wahnsinn durchsetzt quält er sich durch das Stück, getrieben von der Begierde nach Macht zerfetzt er jegliches menschliche Band. Menschliche Schicksale rücken ins Zentrum des Stückes. Die politischen Fragen, die Schiller nach der Uraufführung immerhin ein Schreibverbot einbrachten, werden nur spärlich thematisiert.
Ein wenig fehlt dabei so etwas wie der rote Faden. Die Inszenierung wirkt teilweise episodisch, nicht wie ein geschlossenes Stück. Ausgeglichen wird diese Schwäche durch die Geschlossenheit des Ensembles, das voller Freude gemeinsam aufspielt. Den Teamgeist könnte sich manches professionelle Theater als Vorbild nehmen.
Das Publikum jedenfalls lässt sich von der Authentizität der Truppe beeindrucken. Als der Räuber Schweizer (Thomas Reimann) an einem Auftrag scheitert, sieht er nur einen Ausweg: den Selbstmord. Verzweifelt und entschlossen zugleich zieht er seine Pistole aus dem Hosenbund, blickt in den Raum und führt die Waffe an seine Schläfe. Einigen Zuschauern stockt der Atem, anderen entweicht ein erschrecktes Aufstöhnen. Klick – er drückt ab; und in diesem Moment ist es so, als ob da wirklich einer aus dem Leben scheidet. Gänsehaut.
Weitere Vorstellungen: Heute Abend (6. November), 7. November, 12. November, 13. November, jeweils um 20:00, im Pfarrsaal im Kolpinghaus, Kirchenstraße 6., 81675 München.
Jeweils 30 Min vor Vorstellungsbeginn gibt es eine Einführung. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erbeten. Mit dem Reinerlös werden das Projekt „Hilfe für Kids“ (www.hilfe-fuer-kids.de) und die Renovierung des Jugendheims der Pfarrei Johann Baptist unterstützt.
Hier noch ein paar Impressionen (Fotos: Hubert Jäger):