Jérôme Bels "The Show Must Go On" in der Muffathalle: Reichlich verstaubt und albern

von Gabriella Lorenz

The Show Must Go On (Foto: Mussacchio Laniello)

Auch Kultstücke werden alt und irgendwann ist der Zauber dahin. Dass der Zahn der Zeit auch vor Jérôme Bels "The Show Must Go On" nicht Halt macht, war in der Muffathalle zu erleben.

Die Uraufführung von "The Show Must Go On" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg war im Jahr 2000 erstmal ein Skandal und lief dann fünf Jahre lang erfolgreich als Late Show. 2001 brachte der französische Choreograf Jérôme Bel seine Inszenierung als internationale Produktion in Paris heraus, seitdem tourt sie als Klassiker der Choreografie-Verweigerung um die Welt. Es gab unter anderem in Japan, Neuseeland und Polen lokale Versionen mit einheimischen Darstellern - wie jetzt auch für zwei Abende in der Muffathalle mit 20 Münchner Akteuren. Und da erwies sich die einstige Provokation als reichlich verstaubt und patiniert.

Jérôme Bel hat 18 Pop-Hits aus drei Jahrzehnten - mit Schwerpunkt auf den 70ern und 80ern - zusammengestellt, die ein DJ zeremoniell abspielt. Zu sehen gibt's dazu meist gar nichts: Bernsteins "Tonight" aus der "Westside Story" schwelgt im Stockfinsteren, "Let the Sunshine In" aus "Hair" erhellt immerhin die leere Bühne. Die Beatles rufen dann mit "Come Together" die Akteure zusammen. Die stehen lange dumm rum, ehe sie zu David Bowies "Let's Dance" in mühsames Disco-Gestrampel verfallen und wenig später wieder den Tanzboden räumen.

Natürlich geht es Bel nicht um Tanz - da unterläuft er bewusst jede Erwartung -, sondern um das, was die Songs seiner Kindheit in den Zuschauern an Gefühlen auslösen. Kopftanz also. Das funktioniert stellenweise immer noch: Wenn der DJ "The Sound of Silence" abwürgt, singt das Münchner Publikum den Simon & Garfunkel-Song einfach weiter. Und wenn sich die Akteure zu Celine Dions "Titanic"-Schnulze in die Pose des Liebenspaars am Schiffsbug werfen, sind die Lacher garantiert.

Aber man hat das Prinzip der ironisierenden Verweigerung viel zu schnell kapiert und kennt inzwischen schon zu viel von der Art, als dass es einen noch 90 Minuten lang interessierte. Und der ausgestellte Dilettantismus, der einst provozierte, wirkt nur noch albern.

Veröffentlicht am: 24.12.2011

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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