Die Wells und Wittenbrink in der Kammerspielen: Ein Familien-Best-of mit hinreißendem Charme

von Gabriella Lorenz

Fehlt jemand? - Eigentlich nicht. Christoph und Michael Well machen auf der Bühne typische Arm- und Beinbewegungen. Foto: Andrea Huber

Nach der Trennung der Biermösl Blosn war die Spannung besonders groß: Was macht die Well-Familie ohne den Hans, noch dazu in den Kammerspielen, wo ihnen einst der Durchbruch gelang? Gemeinsam mit Regisseur Franz Wittenbrink ist nicht wirklich ein Theaterabend entstanden. Aber einer, der großes Vergnügen bereitet.

Fünfzehn Kinder - das heißt ewig Streit und Lärm. Wie halten Eltern das aus? Hermann und Gertraud Well lenkten den Krach in akustisch erträgliche Bahnen. Alle Sprösslinge mussten viele Instrumente lernen und ständig Hausmusik machen. Da übt man sich im Miteinander. Aus den Kindern wurden die wohl erfolgreichsten Volksmusiker Bayerns: Hans, Stofferl und Michael mischten als Biermösl Blosn 35 Jahre lang satirisch die Politik auf und drückten die CSU unter 50 Prozent (behaupten sie).

Moni, Bärbi und Burgi machen sich seit 25 Jahren als Wellküren auch deftig gegen familiäre Herrschaftsverhältnisse stark. Ganz ohne Dissonanzen geht's trotzdem nicht: Hans hat gerade die Biermösl Blosn verlassen. Die anderen fünf, ergänzt durch Karli Well, haben aus ihrem kampflustigen Familienzusammenhalt mit Regisseur Franz Wittenbrink in den Kammerspielen den Hausmusikabend „Fein sein, beinander bleibn“ gemacht. Der Premierenjubel war riesig. Kein Wunder, sechs Wells gemeinsam auf der Bühne sieht man selten. Und die 92-jährige Mutter Gertraud sitzt als stummer Gast handarbeitend dabei und greift auch mal in die Zither-Saiten.

Sie wollten gerne mal ihre alten Kinderstreitereien öffentlich klären. Wer hat wen wann und warum mit dem Schürhaken blutig geschlagen oder in die Odlgrube geschubst? Wen hat die Mutter als Liebling verwöhnt? Rahmen ist eine Probe für Auftritte bei einer internationalen Tournee - da müssen neue Lieder erarbeitet werden, ob für Texas, China oder eine Goldene Hochzeit.

Sie musizieren nach Herzenslust mit immer wieder überraschendem Einsatz der 46 Instrumente, die an einer Leine hängen oder auf der Bühne stehen. Ob Ukulele, Hackbrett oder Harfe, Trompete, Tuba, Dudelsack bis hin zur exotischen Nonnengeige - sie können einfach alles. Und ihre bösen Texte münzen ein Auftragswerk der Pharma-Industrie zum Angriff um.

Dazwischen kabbelt man sich, rechnet auf und ab, auch über einen Ex-Schwager wird übel hergezogen. Der setzt sich aus dem Publikum zur Wehr: Stefan Merki liefert seine Sicht auf die Großfamilie und später einen Auftritt als Pfarrer, der eine Weihwasser-Pipeline von Tschenstochau nach Altötting einweihen will. Überraschungsgast Gerhard Polt überreichte als Nikolaus der Well-Mutti die Rute zur Züchtigung der Bagage.

Der dramaturgische Bogen der Probe verliert sich schnell. Es ist einfach ein Best-of-Konzert der sechs Well-Geschwister, die sich mit hinreißendem Bühnencharme in allen Musikstilen von Ravels „Bolero“ bis Brahms und Mozart sicher und komisch bewegen.

Regisseur Franz Wittenbrink steuert optische Gags bei: Auf dem riesigen Alpenpanorama an der Rückwand erscheinen mal eine Kuh oder Familienfotos, ehe das Bergidyll kurzerhand abgefackelt wird. Zum Andachtsjodler wachsen Alphörner aus dem Boden und werden sanft ins Parkett auf Publikumsschultern gelegt.

Und Moni klöppelt das Hackbrett derart heiß, dass es anfängt zu rauchen. Ein großer Streit wird buchstäblich ausgeblasen - mit Blasinstrumenten. Dann findet man doch wieder zusammen, beim Volkslied „Fein sein, beinander bleibn“. Das ist kein runder Theaterabend, aber ein sehr großes Vergnügen mit einer musikalischen Familienlegende.

Kammerspiele, 16. 25., 28. Feb., 20 Uhr (ausverkauft), Vorverkauf für 5., 8., 15., 21., 30. März ab 16. Feb., Tel. 233 96 00

Veröffentlicht am: 08.02.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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