"Intimate Stranger" in der Schauburg: Sechs Männer mit Macken sind witzig und bezaubernd

von Gabriella Lorenz

Jannis Spengler, Tim Bergmann, Sasa Kekez, Ronni Oliviera, Miguel Fiol Duran (v.l.), Foto: DigiPott

Sechs Männer, sechs Apartment-Türen, ein Treppenhausflur, ein Lift. Was die Choreografin Johanna Richter und ihr Ensemble in „Intimate Stranger“ daraus zaubern, hat soviel Witz und Situationskomik, dass man am Ende alle diese vertrauten Fremden - die anonymen Nachbarn - gut zu kennen glaubt.

Johanna Richter arbeitet seit 2004 immer wieder an der Schauburg, die das Tanztheater in ihren Spielplan integriert hat. Dieses Stück für Jugendliche ab 13 ist ein Highlight, das nur einen Makel hat: Es ist eine knappe halbe Stunde zu lang.

Jeder der sechs hat seine Macken. Der Spanier Gonzalez (Miguel Fiol Duran) schleppt kleptomanisch alles, was im Flur steht, in seine Wohnung und hat es vorzugsweise auf die Fußmatte von Maifeld abgesehen. Ein Running Gag: Immer, wenn Gonzalez zum Mattenklau schleicht, öffnet Maifeld die Tür. Tim Bergmanns Maifeld hat Berührungsängste: Er nimmt lieber die Nottreppe, als den Lift mit einem anderen zu teilen. Und versteckt sich vor Mitbewohnern in Türstöcken. Ungesehen bleiben möchte auch Herr Gruber (Volker Michl), wenn er in Frauenkleidern ausgeht. Der brasilianische Blumenverkäufer (Ronni Oliveira) verschenkt Gladiolen an alle und bleibt sogar fröhlich, wenn Gonzalez seine Topfpflanzen stiehlt. Der Grieche Chalkidis (Jannis Spengler) pappt als Ordnungsfanatiker überall Zettel hin und fotografiert durch die Türspione. Und der slawische Drogendealer (Sasa Kekez) schließt die eigene Wohnung auf, als wäre er ein Einbrecher, und vollführt mit Handys Taschenspielertricks.

Geredet wird wenig und nur in der jeweiligen Muttersprache. Wie man sich trotz des Nicht-Verstehens über Körpersprache annähert, erzählen die Tänzer und Schauspieler aus fünf Ländern hinreißend komisch, musikalisch getragen von Jazz und Swing der 20er bis 40er Jahre. Nach einem kollektiven Disco-Fieber-Ausbruch zieht sich's bis zum gemeinsamen Abendmahl auf dem Flur (Bühne: Mark Rosinski). Das wäre verzichtbar in dieser bezaubernden Aufführung über den unbekannten Nachbarn.

Schauburg,  20., 21. März, 17. Mai 2012 , jeweils 10.30 Uhr, 19., 20. März 2012, 17 - 19. Mai, jeweils 19.30 Uhr, Karten unter Telefon 233 371 55, www.schauburg.net

Veröffentlicht am: 01.03.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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