Bilanz eines kleinen Fassbinder-Festivals

Ehrung für den lange verkannten Helden

von Gabriella Lorenz

Die bitteren Tränen der Petra von Kant. Foto: Hans Jörg Michel

Die vorgezogenen Ehrungen zum 30. Todestag des Film- und Theatermachers Rainer Werner Fassbinder am 10. Juni zeigten, wie sehr sein Werk seine Kollegen inspiriert - heute mehr dann je.

Dass Rainer Werner Fassbinder als Theaterautor im Ausland präsenter ist als bei uns, scheint das Sprichwort vom Propheten im eigenen Land zu bestätigen. Liegt aber vielleicht auch an der unter anderem in New York und Paris ansässigen Fassbinder-Foundation, die mit Bühnenrechten fast so zickig umgeht wie die Brecht-Erben.

An den Kammerspielen lässt Regisseur Stefan Pucher erfolgreich seine Schauspieler den Film „Satansbraten“ covern. Resi-Intendant Martin Kusej eröffnete im Marstall das Festival „Postparadise Fassbinder Now“ mit „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ - seiner bisher besten Münchner Inszenierung. Das Festival wollte aber vor allem den Blick richten auf die Rezeption Fassbinders im Ausland.

An den Kammerspielen inszeniert Stefan Pucher "Satansbraten". Foto: Arno Declair

Die spanische Choreografin Sol Picó versetzte „Petra und Gäste“ in ein Luft-Netz aus Stangen und Seilen. Jan Machacek aus Wien blieb in „Showghost-3“ mit digitalen Bühnentricks weit weg vom Vorbild. Aber der Prager Theatermacher Dusan David Parizek zeigte eine bestechend virtuose Umsetzung von „Der Müll, die Stadt und der Tod“, dessen Uraufführung 1985 in Frankfurt wegen Antisemitismusvorwürfen und Protestdemonstrationen am Premierenabend abgesagt wurde. Fassbinder kündigte deshalb seine Intendanz am TAT auf. Erstmals aufgeführt wurde das Stück 1987 in New York. Parizek überträgt es auf tschechische Verhältnisse, macht die Zuschauer zu Voyeuren und Beteiligten: Sie sitzen an Tischen rund um die Spielfläche hautnah neben dem reichen Juden, der als Immobilienspekulant den Sündenbock für alle abgibt, und der Nutte, die ihr Zuhälter auf die Straße prügelt.

 

 

Fassbinders Sadismus-Affinität ist ebenso präsent in „Blut am Hals der Katze“. Mit der italienischen Inszenierung von Fabrizio Arcuri ging das Marstall-Festival zu Ende. Die von Fassbinder aus einem Porno-Sado-Comic der 60er Jahre entlehnte Figur Phoebe Zeitgeist wird auf die Erde gebeamt, versteht aber die Sprache nicht. Bei Arcuri ahmt eine androgyne Comic-Punk-Gestalt auf halsbrecherischen Plateau-Sohlen wie ein Roboter die Menschen nach, deren Beziehungsmiseren sie beobachtet, und erledigt dann alle vampirisch mit den erlernten Sprachplatitüden. Keine schlechte Lösung.

Veröffentlicht am: 04.04.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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