"Jiggy Porsche taucht ab" in den Kammerspielen

Ein Plot geht baden - zwischen Langeweile, Spa und Neonazis

von Gabriella Lorenz

Sehenswerte Miniaturen in sinnfreiem Stück Foto: Conny Mirbach

Wie mögen wohl die anderen Texte in der „Langen Nacht der neuen Dramatik“ 2011 an den Kammerspielen gewesen sein,  wenn Olivia Wenzel für ihre wirre Collage „Jiggy Porsche taucht ab“ den Förderpreis davontragen konnte? Zum Preis gehört eine Uraufführungs-Inszenierung. Mit der durfte sich im Werkraum der Regiedebütant Philip Decker erfolgslos abmühen. Hätten nicht die Schauspieler sehenswerte Miniaturen gestaltet, wäre das sinnfreie Szenen-Konglomerat so gnadenlos abgesoffen wie die „Titanic“.

Auf deren Untergang und den der „Costa Concordia“ 2011 spielt die Autorin an - soviel Zeitgeist muss sein. Wenn auch ohne jede inhaltliche  Weiterführung. Schiller schrieb seine „Räuber“ mit 21 - und sie sagen uns heute noch was. Was Olivia Wenzel (27) mit „Jiggy Porsche taucht ab“ sagen will, dürfte schnell im Meer der Bedeutungslosigkeit versinken.

Jungdramatiker wollen (oder können?) keine Geschichten mehr erzählen - obwohl die Zuschauer danach gieren. Also nirgends ein Plot. Zur literarischen Beglaubigung klaut Wenzel bei Heinrich Böll. Seine „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ eröffnet das Stück: Ein Tourist will einem Fischer einreden, mit mehreren Fangfahrten täglich reich zu werden. Dann spucken die Kreuzfahrer an Bord der „Jiggy 3000“ zwischen Langeweile und Spa ihre Befindlichkeiten aus. Das Schiff geht unter, was aber keine Rolle spielt, ein Kind überlebt. In einer zerstrittenen Familie mit Oma Ulrich und Opa Ulrike, Mutter und Vater  geht's plötzlich um Arbeitswelt, ohne dass je Verhältnisse oder Zusammenhänge klar würden. Am witzigsten sind vier Bewerbungsgespräche als simultane Lebensentwürfe.

Die Schauspieler Marc Benjamin, Lasse Myhr, Oliver Mallison und Clara-Marie Pazzini müssen dazwischen immer wieder langwierig die Bühne umbauen, auch mal zum Hakenkreuz. Denn ein Neonazi darf nicht fehlen: Sieg geil! Gilt allerdings nicht für dieses Stück.

 

Werkraum, 22. April, 29., 30. Mai, 20 Uhr, Tel. 233 966 00

Veröffentlicht am: 23.04.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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