Gastspiel des Birmingham Royal Ballet

Gar nicht en Vogue, aber voller Lebenslust

von Isabel Winklbauer

"Checkmate": Springer schlägt Dame - oder nicht? (Foto: Bill Cooper)

„Very British“ lautet das Motto der aktuellen Saison am Bayerischen Staatsballett. Nach einigen Ausreißer-Arbeiten aus Italien, den USA und Tschechien ging es nun beim Gastspiel des Birmingham Royal Ballet in der Tat very, very british zu. Kompaniechef David Bintley kam mit hochwertigen Repertoirestücken an die Isar, die hierzulande selten zu sehen sind. Jünger als 34 Jahre war keines davon – die Überquerung des Ärmelkanals diente also dem Bildungszweck.

Das Lernen macht Spaß im Fall von Bintleys Eigenkreation “Take Five“: In sechs Stücken von Dave Brubeck (der Titel der Choreografie ist der Titel des berühmtesten davon) stellen Tänzer in hinreißend altmodischen Kostümen die Handschrift ihres Chefs vor. Dessen Fußarbeit ist raffiniert. Alles bleibt sparsam, Glissaden reihen sich an Allongées, doch immer wieder tauchen beherzte Sprünge voller Lebenslust auf, gepaart mit hellwachen Mienen. „Four Square“, das Stück mit den klatschenden Händen wird von vier Herren gegeben, die die 70er Jahre zum Leben erwecken – die sind zurzeit gar nicht en Vogue, trotzdem und vielleicht gerade deshalb sieht man das Quartett mit Discoanklängen gerne.

Frederick Ashtons "The Dream": Titania (Nao Sakuma) läuft Zettel (Jonathan Caguioa0) hinterher. Der scharrt schon mit den Hufen. (Foto: Bill Cooper)

"Checkmate", ein Werk der großen britischen Dame des Balletts Ninette de Valois, wirkt dagegen albern. Charaktere eine Schlacht auf dem Schachfeld austanzen zu lassen, wäre nach heutigem Stand der Tanzkunst geistreich, wenn die Figuren durch einen eigenen Bewegungskanon gezeichnet wären und das Zusammenspiel psychologisch motiviert wäre. In dem Werk von 1937 tragen die Springer nun aber noch Pferde auf dem Kopf, und den Türmen sind eckige Sackmasken übergestülpt. Dazu bewegen sie sich im Winkel oder in Bahnen. Die Roten sind die Liebe, die Schwarzen der Tod, und da der rote Springer (Iain Mackay) zögert, der schwarzen Dame (Victoria Marr) den Garaus zu machen, muss nach 50 Minuten der altersschwache, rote König (Janathan Payn) fallen. Das Ganze hätte man auch im Giftschrank lassen können, es regt niemanden auf - anders als die Musik von Arthur Bliss, die „Wochenschau“-Stimmung verbreitet.

„The Dream“, Frederick Ashtons Sommernachtstraum von 1964, beschließt das Gastspiel auf klassische, unterhaltsame Weise. Spannender wäre noch ein Bintley-Werk gewesen. Aber da hatte man das Münchner Publikum wohl zu konservativ eingeschätzt.

 

Anm. d. Red vom 7. Mai 2012, 23 Uhr. Im Vorspann des Textes wurde bislang der Begriff "Tschechei" verwendet.  Die Redaktion hat dies wegen der historischen Belastung des Wort diskutiert und nun durch die heutige Staatsbezeichung "Tschechien" ersetzt.

Veröffentlicht am: 25.04.2012

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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