Botschafter aus Bollywood
"Ich bin immer Michael Jackson gefolgt"
Unser Draht nach Mumbai steht: Sabi Shaikh (42) etabliert sich in der Stadt mit seiner Bollywood Crazy Dance Company und einer Tanzschule. Damit ist er Münchens einziger, echt indischer Bollywood-Choreograf und Dozent. Profitänzern bietet er sogar den direkten Weg zum indischen Film.
„Eines Tages, mit 14, habe ich im Radio Michael Jackson gehört“, sagt Sabi Shaikh, „von dem Moment an bin ich nur noch ihm gefolgt.“ Der gebürtige Mumbaier war 15 Jahre lang einer jener Gruppentänzer, die in Bollywoodfilmen mitreißende Wellen der Lebensfreude verkörpern. Man erinnere sich: In Indien werden Schauspieler verehrt wie Halbgötter, in Filmen sind sie von Hundertschaften prächtig kostümierter Tänzer umgeben. Bollywoods Filmindustrie – das einst spöttische Wortspiel aus „Hollywood“ und „Bombay“ (heute Mumbai) ist längst ein Synonym für Erfolg – produziert 1300 Filme pro Jahr, mehr als doppelt so viele wie die USA. Vier Milliarden Kinokarten für indische Filme werden jährlich verkauft, eine Milliarde mehr als für amerikanische, und die Produktionen des Megastars Shah Rukh Khan („In Guten wie in schweren Tagen“, „Ra One“) erobern bereits die US-Kinos.
Einer Karriere als Motorradmechaniker entflohen, tauchte Shaikh schon mit 17, nach abgeschlossener Tanzausbildung, in die Welt des indischen Kinos ein. Beim entscheidenden Vortanzen setzte er sich gegen 150 andere Bewerber durch. Auch die Zusammenarbeit mit dem in Indien bekannten Schauspieler und Stimmenimitator Johnny Lever brachte ihn in den Dunstkreis der Stars. „Shahrukh Khan war Jahre lang mein Nachbar“, erzählt Shaikh. „Einmal habe ich ihn im Auto sogar zum Dreh gefahren. Und mit Kareena Kapoor, die in ‚In Guten wie in schlechten Zeiten’ die Pooja spielt, hatte ich oft zu tun. Sie war eine gute Freundin meines Choreografen Raju Khan.“
Mit Aishwarya Rai, die die amerikanischen Medien „die schönste Frau der Welt“ nennen, tanzte er Schulter an Schulter – "zugegeben, dabei habe ich mir vorgestellt, sie wäre meine Freundin." Außer Schönheiten und netter Kerle habe er auch Schauspieler gesehen, die so gelangweilt vom Ruhm waren, dass sie schon nach zwei Stunden vom Set abhauten. „Doch es gibt auch solche, die ihren Beruf über alles lieben und mit dem Herzen machen. Amitab Bachan, der größte Star von allen, gehört zu dieser Sorte.“
Trotz einer eigenen Kompanie, den Crazy Boys, und einer eigenen Tanzschule in Gujarat, ließ sich Shaikh 2009 von einer Deutschen nach Rosenheim entführen. „Das Leben hier ist schon angenehmer“, erklärt er. „In Mumbai kämpft man sich oft von Tag zu Tag. Ständig shoppen gehen so wie hier, das ist dort undenkbar.“ Darüber hinaus gefalle es ihm, dass die Frauen hier Bollywood so sehr lieben. „Sie sind richtig hungrig aufs Tanzen!“ Und alle Bayern aufs Zusehen: Shaikh war schnell für hochkarätige Auftritte gebucht, etwa vor Ex-BundesverteidigungsministerKarl-Theodor zu Guttenberg. Nach einem Krach mit der Chefin und einer kurzen Flucht in die Heimat zog er dann allerdings mit seiner Rosenheimer Schülerin und heutigen Managerin Anneliese Brunner nach München. Hier ist Sabi Shaikh nun wieder sein eigener Herr. Seine Bollywood Crazy Dance Schule zählt drei Klassen, eine Kompanie findet sich gerade zusammen. Natascha Vincenza, seine künstlerische Assistentin und erste Solistin beschreibt den Unterricht bei ihrem Chef so: „Indische Männer haben eine unglaubliche Power, wenn sie tanzen! Außerdem lehrt Sabi die authentischen Schritte, Gesten und Mimiken, wie sie heute in Mumbai getanzt werden. Genau das habe ich Jahre lang in anderen Bollywoodtanzschulen vergeblich gesucht.“
Und noch ein drittes Standbein hat Shaikh: Er vermittelt deutsche Tänzerinnen nach Mumbai. Nicht etwa, weil den Massenszenen die Darsteller ausgehen. Vielmehr hat sich der Stil der Filme geändert. Früher bedeckten züchtige Saris die Bäuche und Fesseln – jetzt, da Filme wie „Dhoom“ und „Dabangg“ auch im Westen verkauft werden, müssen Bikiniwillige her. „Indische Mädchen ziehen sich ihren Familien zuliebe nicht aus“, sagt Shaikh. „Außerdem will das indische Kinopublikum weiße Haut sehen.“ Eine indische Tänzerin verdient in Bollywood daher ungefähr 3.000 Rupien (42 Euro) pro Tag, eine europäische Blondine in Top und Höschen mindestens das Doppelte.
Wer sich von Sabi Shaikh in einen auf sechs Monate befristeten Vertrag vermitteln lässt, bekommt ein Monatsgehalt von rund 60.000 Rupien (830 Euro) für Teilzeitarbeit, dazu Essen an Drehtagen und kostenlose Unterkunft in einem Haus für Filmmitarbeiter. Meist teilen sich zwei Mädchen ein Appartment, wie es bei Models üblich ist. Allerdings ist die Audition unter Shaikhs Augen ziemlich hart. „Wer nach Bollywood will, muss nicht nur ab 1,65 m groß und schlank sein, sondern braucht auch eine gute Auffassungsgabe“, sagt Managerin Brunner, die selbst schon in Mumbai am Filmset mit dabei war. „Der Choreograf führt die Schritte meist nur zwei, drei Mal vor, und es gibt oft nur zwei Probentage für eine Tanzszene. Das schaffen nur Profis in Hiphop- und Westerndance.“
Seite 2: Die besten Bollywood-Adressen