Dave Holland Quartett beim Jazzsommer
Miles and more - der große Erzähler von Fahrten und Irrfahrten
Es wird wohl ein Fest der Gitarristen werden. Mit Kevin Eubanks vom "The New Dave Holland Quartett" präsentierte sich bei Jazzsommer im Bayerischen Hof ein erster Meister an diesem Instrument - mit neuen Tönen, unerhörter Präsenz und bohrender Intensität.
Dave Holland am Kontrabass, Craig Taborn am Klavier und Fender Rhodes, Eric Harland am Schlagzeug waren Gleichwertige an der Spitze. Das neue Quartett von Dave Holland zeigte sich sicher auf seiner Kaperfahrt durch klangliche Fährnisse und harmonische Untiefen.
Dave Holland ist ein Erzähler von Fahrten und Irrfahrten. Seine Argonauten stehen fest zu ihm. Sein Mut ist der von einem, der ohne Zielort aufbricht, ohne Wissen von einer Ankunft, ohne Sicherheiten. Und wenn er dann glücklich zurück ist, meistens verjüngt, dann berichtet er. Die Grundhaltung seines Spiels ist narrativ und diskursiv. Auf Störungen ist er sozusagen gerne vorbereitet, im Falle seines neuen Quartetts entsteht der Verdacht, er habe sie sogar gesucht.
"The New Day" beginnt mit der Fragilität einer Morgendämmerung. Ein noch nicht ganz ausgeschlafener Bass hat Schwierigkeiten, Sätze zu Ende zu bringen und murmelt Brocken fremder Sprachen. Oje, baut sich da auch noch eine Rückkoppelung auf? Könnte schon sein, warum nicht, ein Scheinwerfer ging ja während des ganzen Konzerts immer wieder an und aus.
Nein, man durfte sein Mitgefühl wieder einpacken: Es war Kevin Eubanks an der E-Gitarre, der Listenreiche, der Störenfried, der sich derart mal vorstellte. "The New Day" schimmerte fern im Ungewissen. Und das unterstrich auch das jetzt einsetzende Paar der Gegensätze: Dass nichts selbstverständlich ist. Craig Taborn und Eric Harland konterkarieren sich rhythmisch, greifen ineinander wie Ringer, immer kurz davor sich auszuheben. Das beflissene, eilige Tempo der beiden Kontrahenten selbst steht in Reibung zu den trägeren, verträumten Akzenten von Bass und Gitarre.
Eine typische Dave Holland-Exposition: Positionen, Strukturen, Haltungen werden präsentiert, vorgestellt, gegeneinander gestellt. Der Bass wartet ab, begleitet in sedierenden, melismatischen Ornamenten, so als wüsste er nicht, auf was man da zutreibt. Da sieht man Dave Holland gerne mal kurz vorher süffisant grinsen. Kurz vorher? Da ist er jetzt, der Krach. Er, der nicht ausbleiben konnte, ist ein fetter, elektrischer Bluesriff - ein dicker Fisch an der Angel, der sich tief unten das erste Mal schillernd dreht, aufblitzt. Und an diesem Fang der ersten Stufe heißt es jetzt, sich ordentlich abarbeiten. Keine Fluchtmöglichkeit irgendeiner Kadenz. Ganz nach Miles Davies: Es kocht auf einer Stufe. The New Day des Dave Holland. Da ist er. Das Ereignis einer Schöpfung. Eines Akts. Großartig.