Psycho-Duell "Persona" kommt in den Marstall
„Was bedeutet es, wenn jemand schweigt?" - Ein Experiment zwischen zwei Sprachen
Wenn wir im Deutschen von einer Person sprechen, meinen wir einen Menschen. Das lateinische Ursprungswort Persona bezeichnet aber die Maske eines Schauspielers: Durch die ließ der Darsteller seine Rolle hindurchtönen (personare). Den doppeldeutigen Begriff umkreist Ingmar Bergmans Film „Persona“ von 1966.
Die erfolgreiche Schauspielerin Elisabet (Liv Ullmann) hört plötzlich auf zu sprechen. Warum, bleibt unklar: Will sie keine tönende Maske mehr sein? Sie wird in einem Ferienhaus von der Krankenschwester Alma (Bibi Andersson) betreut, die viel von sich erzählt, sich aber mehr und mehr in die Psyche ihrer Patientin einfühlt und versucht, das auszusprechen, was diese nicht mehr sagen will. Ein Identitätswechsel also: Alma wird die sprechende Persona von Elisabet. Nach dem Filmdrehbuch inszeniert Amélie Niermeyer im Marstall dieses Psycho-Duell zwischen Schweigen und Reden mit Juliane Köhler und Evgenia Dodina vom Habima Theater in Tel Aviv. Am Wochenende ist Premiere.
Diese deutsch-isrealische Koproduktion ist in jeder Hinsicht ein Novum. In München spielt Juliane Köhler die munter plappernde Krankenschwester, Evgenia Dodina bleibt als Elisabet stumm. In den Vorstellungen ab 4. Oktober am Habima Theater in Tel Aviv spielt der dortige Star Evgenia Dodina auf Hebräisch die Sprechrolle der Krankenschwester, Juliane Köhler wird dann sprachlos zuhören. Die Idee zu dieser Koproduktion hatten die Schauspielerinnen selbst. Sie lernten sich bei den Dreharbeiten zu Paul Schraders Film „Adam Hundesohn“ kennen. Nach fünf Minuten hatten sie das Gefühl, sich seit 20 Jahren zu kennen, sagt Evgenia Dodina. Und wollten dann unbedingt mal gemeinsam auf der Bühne stehen - also suchten sie wegen der Sprachunterschiede nach einem Stück mit einem stummen Part. Und fanden mit ihrem Vorschlag bei freundlichen Intendanten offene Ohren.
„Was bedeutet es, wenn jemand schweigt? Welche guten Gründe gibt es, dass jemand nicht mehr spricht?“, fragt Juliane Köhler. Sie findet in der Arbeit die Figur der verstummten Elisabet zunehmend spannender: „Die will keine Lügen, keine Ausreden, keine Wichtigkeiten mehr. Sie ist so auf der Suche nach dem Wahren, dass sie aus Verzweiflung beschließt, nicht mehr zu sprechen. Ich finde das sehr mutig.“
Und wie fühlt sich eine Schauspielerin, die auf der Bühne nicht reden darf, sondern alles mit stummem Spiel füllen muss? Evgenia Dodina sagt: „Ich habe mich schon daran gewöhnt. Das Schweigen hat sogar etwas, was süchtig macht. Man findet seine eigene Wahrheit. Niemand von uns ist wirklich frei. Wollte man das versuchen, würde man immer andere verletzen. Wir haben alle Verpflichtungen und Verantwortungen. Elisabet hat ihre Entscheidung getroffen - damit ist sie manchmal sehr zufrieden, aber sie leidet auch oft daran.“
Kurzzeitig scheinen die beiden Frauen miteinander zu verschmelzen. Juliane Köhler meint: „Alma sagt, ich möchte so sein wie Du. Sie taucht kurz in Elisabets Rolle ein, weil sie das Schweigen nicht erträgt und ihr zeigen will, wie es gehen könnte.“ Evgenia Dodina sagt: „Beide müssen mit ihren Verdrängungen umgehen. Elisabets Leben war vorher größer, nach außen glänzend, aber sie konnte nicht die glückliche Mutter spielen. Alma hat einen Bräutigam, der nicht ihre Liebe ist. Sie versucht sich selbst zu überzeugen, dass die kleinbürgerliche Familie das ist, was sie als Zukunft will.“
Der Rollentausch in Israel - dafür wird dort nochmal drei Wochen geprobt - ist für beide eine neue Erfahrung. „Ich spreche und verstehe kein Wort Hebräisch“, sagt Juliane Köhler. Aber so, wie die beiden Schauspielerinnen sich verstehen und immer auch für beide Rollen sprechen, dürfte es auch da auf der Bühne kaum Verständigungsprobleme geben.
Marstall, 22., 24., 25. Juli, 20 Uhr, Tel. 2184 1940, www. residenztheater.de