Tanzperformance im Kunstpavillon
Am linken und rechten Ufer der Seele
Zwischen unendlicher Liebe und unendlicher Gewalt ist die menschliche Seele gespannt wie ein Gummiband. Sie erträgt beide Extreme. Ein ideales Thema für Tänzer und Choreograf Manfred Kröll, dem kein Tauchgang ins Ich zu tief ist. Die Ausbeute vom Grund war diesmal hoch ästhetisch, wenn auch schwer zusammen zu puzzeln.
Der Himmel hängt zunächst voller Geigen. Als Einleitung zeigte Kathrin Knöpfle "Der Geist, der mich umgibt", ein Solo in der Klarsichtfolie, das den Menschen als von Ideen und von Geborgenheit abhängiges Wesen definiert. Danach erst, wie nach einem Kurzfilm im Kino, startet Krölls "Seelenecho": Er und seine Performance-Partnerin, die Violinistin Maria Anna Söllner, wandeln zwischen Haufen von getrockneten Blüten und Blättern. Ein gelöster Gang durch die reiche Natur. Sie wechseln die Plätze, Kröll ist in Bestform. 45 ist er und der lebende Beweis, dass Tänzer mit dem Alter unvergleichlich ausdrucksstärker sind als in ihrer Jugend. Sein Bewegungsrepertoire ist ausgefeilt. Er nutzt, man kann mittlerweile darauf wetten, seinen unvermeidlichen Handstand und die Capoeira-Elemente mit traumwandlerischer Sicherheit, um das Glücklichsein zu verkörpern. Ein Mann, der weiß, was er tut.
Gewalttätigkeit findet nun aber bezeichnenderweise mit der Stimme statt. Es wird brachial geschrieen, Kröll und eine seiner Chorsängerinnen (eben noch den Geigenhimmel besingend) geben alles. Der Körper wird von dem Ereignis wie von Krämpfen durchgeschüttelt – er ist passiv, wird vergewaltigt von der eigenen, animalischen Seite. Die Gegensätze vereinen sich, indem Kröll, Söllner und die Sänger ihre Namen und Biografien aufsagen: "Mein Name ist Maria Anna Söllner. Ich fahre von Insbruck nach München nach Insbruck nach München nach..." Alles ganz normal also mit der Libe und der Gewalt. Warum nun aber ausgerechnet diese zwei in Gegensatz zueinander gesetzt werden, muss erraten werden. Die Antagonisten könnte ja auch Liebe und Hass sein, oder Liebe und Angst. Warum ist Gewalt gefährlicher, wichtiger, elementarer als der Rest?
Nichtsdestotrotz gewinnt das Stück viel Magie aus dem Geigenspiel, den menschlichen Stimmen und der zauberhaften Echo-Akustik des Kunstpavillons im Alten Botanischen Garten. Die stimmungswechselnde Beleuchtung (Rainer Ludwig) über den morbiden Blütenhaufen von Susanne Brandenburger tut ein übriges, um die Zuschauer in surrealistische Trance zu versetzen. Der Mensch ist halt vorkorkst, aber trotzdem ein ergreifendes Phänomen.