"Der Widerspenstigen Zähmung" im Resi

Schlammschlacht im Regen - bevor sie sich kriegen

von Gabriella Lorenz

Überzeugend in Matsch und Modder: Andrea Wenzl als Katharina, Foto: Matthias Horn

Sie wissen beim ersten Wort, dass es Liebe ist: Aber weil der ebenbürtige Stolz von Katharina und Petrucchio kein Eingeständnis zulässt, muss für die Gesellschaft erstmal das Shakespeare-Spiel "Der Widerspenstigen Zähmung" gespielt werden. Das ist beim Saisonstart im Residenztheater keine Komödie, sondern in der Regie von Tina Lanik eine Schlammschlacht im Wortsinne. Wer als Kind nicht im Dreck spielen durfte, mag sich freuen. Wer die Ästhetik der Hässlichkeit nicht schätzt, leidet. Dennoch großer Beifall für die Schmuddelkinder Shenja Lacher und Andrea Wenzl.

 

Der Klimawandel hat sich im Resi schon vollzogen: Ständig regnet es in den Szenenwechseln. Anfangs auf einen erlegten Hirsch und eine Gruppe Jäger, vor der eine tanzende Frau betrunken zusammenbricht. Sie ist eine Umdeutung des Kesselflickers Sly aus Shakespeares Vorspiel, dem Adlige ein Schauspiel vorführen. Katharina Pichler erlebt als Schläferin oder Traumtänzerin die Handlung als Traum. Diese Absicht der Regie vermittelt sich kaum. Zumal Sly am Schluss unerklärt als Bühnenfigur im Stück landet.

Buhlen im Regen: v.l. Marie Seiser (Bianca), Franz Pätzold (Lucentio), Tom Radisch (Hortensio), Foto: Matthias Horn

In diesem düsteren Padua ist alles feucht, aber nicht fröhlich. Im schwarzen, leeren Raum (Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier) gruppieren sich die Einkäufer auf dem Heiratsmarkt in dunklen Renaissance-Kleidern zum Feilschen um reiche Töchter: Der blasse Lucentio (Frank Pätzold), der alte Gremio (Arnulf Schumacher), der berechnende Hortensio (Tom Radisch). Der strenge Kaufmann Baptista (Wolfram Rupperti) ist der Verkäufer seiner Töchter. Bemüht inszenierte Komik liefern die Diener: Miguel Abrantes Ostrowski als kettenrauchender Tranio mit Brille und schmierigem Haar tauscht mit Lucentino die Rollen. Eine ganz eigene, skurrile Figur erschafft Robert Niemann als zappliger Biondello - verdienter Sonderbeifall. Johannes Zirners bedauernswerter Grumio legt mit seinem Herrn zunächst albern prustend eine komische Kopfnuss-Nummer hin, muss aber dann als sämtliche Petrucchio-Diener sowie Pferd und Hund nur noch durch den Schlamm kriechen.

Kussnähe, während die Worte anderes sagen: Shenja Lacher (Petrucchio), Andrea Wenzl (Katharina), Foto: Thomas Dashuber

Vom wa(h)ren Wert der Frau verstehen sie alle was - die Weiber wissen das und bereiten den Männern ein glitschiges Parkett. Der Eimer mit Erde, in den die aufmüpfige Katharina anfangs den Kopf ihrer berechnenden Schwester Bianca (Marie Seiser) drückt, und der permanent nachfallende Regen machen den Bühnenboden zum Schlammbad, in dem keiner mehr trittsicher ist. Ständig schlittert jemand, rutscht aus, stürzt, suhlt sich im Dreck und besudelt sich lustvoll. Die beabsichtigte Slapstick-Komik läuft sich hier ganz schnell tot. In Matsch und Modder behaupten sich Shenja Lacher und Andrea Wenzl mit überzeugender Präsenz: Sie müssen sich tatsächlich erst durch den Dreck ziehen, sich darin wälzen, um sich zu drehen und zu verändern. Die Erotik des Coup de Foudre ist überdeutlich: Oft sind Körper und Gesichter auf Kussnähe, während die Worte anderes sagen: Beiden gelingt es, die insgeheime Gleichwertigkeit zu zeigen. Zwischen Locken und Abwehr weiß Wenzls wunderbar Krätzige und doch enorm liebessüchtige Katharina trotz aller Demütigungen, dass sie mit dem Macho gemeinsames Spiel macht. Das schafft sie hervorragend im großen Unterwerfungs-Kotau am Schluss - danach zieht sie den willig Folgenden von der Bühne.

Im Residenztheater wieder am 5., 7., 10. Oktober 2012 (15 Uhr), 18., 25. Oktober 2012 (19.30 Uhr), Tel. 089/2185 1940

Veröffentlicht am: 05.10.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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