Waschtag am Lech
Regisseur Jan Gloger und seine Mitstreiter bringen im Stadttheater Augsburg Mozarts Bravour-Oper „Le Nozze di Figaro“ mit einer Verve auf die Bühne. Trotz Waschkeller-Ambientes lohnt sich ein Ausflug in die Fugger-Stadt.
Den Grafen will er das Tanzen lehren und ist doch nicht Herr der Lage. Kann also schon mal sein, dass Figaro dumm aus der Wäsche schaut. Überhaupt, die Wäsche: In der Augsburger Inszenierung von Jan Philipp Gloger gibt es Textilien nicht nur im übertragenen Sinne; in allem Realismus rutscht immer wieder mal ein Stück durch den Wäscheschacht, bis sich hinter den Akteuren ein ganzer Haufen türmt. In einem Wäschekeller also versucht Figaro seine Heirat mit Susanna über die Bühne zu bringen, und zwar ohne dass der Graf Gebrauch macht vom Recht der ersten Nacht.
Das von kaltem Neonlicht erleuchtete Bühnenbild (Ben Baur) gehört zu den Schwachpunkten in der Augsburger Inszenierung. Alles spielt sich in dem betont nüchternen Keller ab. Auch die Hochzeit. Warum aber feiert Figaro das Hochzeitsfest in so einem schofeligen Raum? Was treibt Graf und Gräfin immer wieder in den Keller, zum Gesinde? Und wohin springt Cherubino? Die Falltür im Linoleum des Gesindekellers wird kaum auf direktem Wege in den Garten führen. Störend auch, dass man von den Rängen aus durch den Spalt unter der Tür sieht, wenn sich auf der anderen Seite jemand dem Gesindekeller nähert. So überraschend stürmt dann halt der Graf gar nicht mehr ins Zimmer, wo eben noch Gräfin, Susanna und Cherubino ihre Pläne gesponnen haben: Ein Gutteil der Zuschauer ahnte ihn schon Minuten vorher. Sollte er gelauscht haben?
Schön abwechslungsreich sind die Kostüme geraten (Karin Jud); die gesamte Bandbreite des dienstbaren Personals sieht man da, bis hin zum Jäger (aus dessen Flinte sich unvermeidlich ein Schuss löst). Warum zu Figaros Fest alle im Arbeitskleid erscheinen, leuchtet allerdings nicht ein. Weiß das Volk seine Feste nicht mehr zu feiern? Da werden die Gemeinen für gemein gehalten. Nicht einmal die Müllbeutel wurden fürs festliche Mahl weggeräumt.
Mozarts Musik, Orchester, Sänger und Chor überdecken derlei Unstimmigkeiten, allen voran Katharina Persicke aus Gräfin Almaviva, Stephanie Hampl als Cherubino und Seung-Gi Jung als Graf. Das Orchester unter der Leitung von Kevin John Edusei neigt in den langsamen Passagen zum Verschleppen, überzeugt aber insgesamt, mit frischem, beschwingten Klang.
Es sind darüber hinaus die Details, mit denen Glogers Inszenierung das Publikum bannt. Ihm gelingt ein spannendes Panoptikum der Leidenschaften. Da preisen die Bediensteten den Edelmut des Grafen, der auf das jus primae noctis verzichten will. Weil man aber den hohen Herrn nicht trauen kann, demonstrieren sie mit Plakaten gleichzeitig gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Während des schönen sängerischen Zwiegesprächs zwischen Gräfin und Susanna öffnen sich Türen, die dienstbaren Geister strecken die Köpfe durch den Spalt. Niemals in diesem Weltpalast ist man unter sich, so kann man die Lauschaktion sehen. Oder als andächtige Verbeugung der Gesinde-Kollegen vor dem Schmelz und der Schönheit von Mozarts Musik und den Sängern. Dem würde ich mich anschließen.
Nächste Termine: 8. und 14. Januar