"Rigoletto"-Premiere in der Staatsoper
Triumph für Verdi in ungereimter Szenerie
Christian Rieger (Ceprano), Franco Vassallo (Rigoletto), Dimitry Ivashchenko (Monterone), Joseph Calleja (Il Duca), Chor und Statisterie (Foto: Wilfried Hösl)
Sieben Jahre nach der umstrittenen Inszenierung von Doris Dörrie hat sich die Bayerische Staatsoper entschlossen, Verdis „Rigoletto“ wieder für das Repertoire zu entdecken. Schließlich wird im nächsten Jahr der 200. Geburtstag des Komponisten gefeiert. Angeleitet von einem Regie-Team aus Ungarn darf der Womanizer und Herzog von Mantua nun erneut beklagen, wie trügerisch Frauenherzen sind. Wenn das so verführerisch geschieht wie diesmal durch den maltesischen Tenor-Star Joseph Calleja, dann muss man einfach kapitulieren. Vergessen waren alle szenischen Ungereimtheiten. Verdi triumphierte.
Überraschend dennoch, wie einhellig der Sturm der Entrüstung war, mit dem am Ende die Inszenierung abgestraft wurde. Das Publikum im Nationaltheater schien weniger irritiert als gelangweilt. Denn allzu viel passierte nicht auf der Bühne. Nicht einmal Kostüme gab es. Man glaubte einer konzertanten Aufführung beizuwohnen, inklusive – hinter dem Souffleurkasten – einem Glas Wasser für ausgetrocknete Kehlen.
Árpád Schilling (Regie) und Márton Ágh (Ausstattung) hatten Chor samt Schaufensterpuppen auf eine Tribüne verbannt, die sich öffnen, drehen und wieder schließen ließ. Sobald Intimität gefordert war, verschwand das Ungetüm hinter einem Vorhang. Die Sänger versammelten sich an der Rampe. Etwa vorhandene darstellerische Fähigkeiten waren rigoros ausgebremst. Wer weiß: Das geschah vielleicht nicht nur aus Hilflosigkeit, sondern aus gutem Grund, weil die szenischen Reduzierung der Musik jene Bedeutung zurückgeben kann, die ihr oftmals vorenthalten wird.
Ästhetisch fragwürdig wurde es im letzten Akt, als Rigolettos Tochter den Entschluss gefasst hat, sich für den geliebten Herzog zu opfern. Gilda erschien im weißen Brautkleid, setzte sich in einen Rollstuhl, damit ihr der böse Sparafucile die Kehle durchschneiden konnte. Derweil kippt Maddalena einen Eimer mit roter Farbe über ihr Gewand. Kein Wunder, dass es auf den Rängen ziemlich unruhig wurde.
Doch zumeist beschränkten sich Árpád Schilling und Márton Ágh auf Andeutungen. Schließlich ist der Konflikt zwischen dem Besitz ergreifenden, aber selbst zerstörerischen Vater Rigoletto und seiner wie eine Gefangene eingesperrten Tochter allseits bekannt. Dennoch: ein bisschen mehr Szene hätte schon sein können.
Musikalisch gab es kaum etwas zu mäkeln. Franco Vasallo in der Titelpartie schmetterte seine verzweifelten Schlusstakte „Ah! La maledizione“ mit grandioser Wucht in den Raum. In den lyrischen Passagen, etwa der Szene „Cortigiani, vil razza dannata“, flüchtete er sich leider immer wieder in ausdrucksarme Larmoyanz. Joseph Calleja dürfte derzeit als Herzog unübertroffen sein. Das weiche, helle Timbre und die mühelosen hohen Töne („Ella mi fu rapita!“) – das alles war auf allerhöchstem Niveau. Verdi-Debütantin Patricia Petibon (Gilda) begann nervös. Nicht alle Spitzentöne gelangen makellos. Noch fehlt ihr die Souveränität. Insgesamt aber bot sie weit mehr als die übliche Soubretten-Niedlichkeit. Als einzige versuchte sie, darstellerische Akzente zu setzen. Sexy, wenn auch eine Spur zu vulgär, Nadia Krasteva als Maddalena. Der beeindruckende Bass von Dimitry Ivashchenko (Sparafucile) machte Appetit auf mehr.
Schade, dass der Dirigent Marco Armiliato kein Pardon kannte und ziemlich ruppig durch die Noten galoppierte. Die deftigen Attacken des Staatsorchesters waren nicht immer angemessen.
Als Italiener müsste es der Maestro eigentlich wissen, dass diese Musik, so effektvoll sie auch sein mag, eine Menge sensibler Momente hat. Sie zu entdecken, sollte eigentlich selbstverständlich sein.
Die weiteren Vorstellungen im Dezember 2012 sind bereits ausverkauft.