"Anything goes" vom Gärtnerplatztheater

Das geht alles, aber es möge niemand an Fred Astaire denken

von Volker Boser



Anna Montanaro als Reno Sweeney und Daniel Prohaska als Billy Crocker (Foto: Christian Zach)

Benjamin Franklin ist auch dabei. Eigentlich heißt er Chuseok, ist fünf Jahre alt, fünf Kilo schwer und ein Findling aus Südkorea. Seinen Platz hat er üblicherweise in der Handtasche einer Millionärin. Und weil das Stück auf einem Ozeandampfer spielt, wurde ihm ein Matrosenanzug verordnet. Das Casting war rundum erfolgreich: Ein drolligeres Schoßhündchen hat man selten auf einer Bühne gesehen.

Das Musical „Anything goes“, 1934 am Broadway uraufgeführt, ist im deutschsprachigen Raum so gut wie unbekannt geblieben. Der Grund liegt auf der Hand: Eine ziemlich alberne Handlung dient als Vehikel für einige der hübschesten Cole-Porter-Songs. Deren Texte sind oftmals pfiffig, selten banal, aber sie lassen sich nur schwer übersetzen. Die Inszenierung Josef E. Köpplingers für das Gärtnerplatztheater im Fröttmaninger Theaterzelt löste das Problem pragmatisch: Es wurde englisch gesungen und deutsch gesprochen. Übertitel Fehlanzeige. Das mag ökonomisch sinnvoll sein. Doch leider hatten auch die tapferen Musikanten des Gärtnerplatzorchesters nicht vor, sich zu verstecken. So gingen die meisten Gesangspointen im lauten, vom Dirigenten Michael Brandstaetter nur ungenügend gebändigten Bigband-Sound unter.

Volle Bühne mit dem Ensemble (Foto: Christian Zach)

Eigentlich sollte der Untergang eines Transatlantik-Dampfers im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Eine tatsächliche Schiffskatastrophe zwang jedoch die Autoren, kurz vor der Premiere auf die Bremse zu treten und das Stück zu überarbeiten. Das Ergebnis blieb unbefriedigend: Auf der Überfahrt von New York nach London schmuggelt sich ein Börsenmakler (Daniel Prohaska) unter die bunt gemischten Passagiere, um seine Liebste einem englischen Lord auszuspannen. Der Plot ist simpel, die Tänze nicht der Rede wert (Choreographie: Ricarda Regina Ludigkeit), trotz der vielen munteren Matrosen, die sich ungeniert austoben dürfen.

Immerhin: wenn Hannes Muik als verschmähter Lord mit seiner neuen Flamme Reno Sweeney (Broadway - erfahren: Anna Montanaro) zu „Let´s misbehave“ virtuos über Schiffstreppen turnt oder der grotesk überzeichnete Gangster Moonface (Boris Pfeiffer) geradezu kindlich liebenswert den Wunsch äußert: „Be like a Bluebird“ – dann wird es richtig lustig. Josef E. Köpplinger weiß, was das Publikum will, beherrscht souverän die Klaviatur seines Handwerks und hat auch keine Angst vor Kalauern und Klamauk. Im ersten Teil war es ein wenig zäh, nach der Pause steigerte sich die Aufführung merklich.

Wie kaum ein anderes Musical eignet sich „Anything goes“ dazu, Songs aus anderen Werken Cole Porters einzufügen, ohne die grotesken Handlungsablaufe zu gefährden. Eine gute Gelegenheit für den Schiffskapitän (Previn Moore), „Night and Day“ zu säuseln, in der Hoffnung, dass niemand dabei an Fred Astaire denkt. Benjamin Franklins Frauchen Evangeline Harcourt (Dagmar Hellberg) bat derweil lüstern zum Senioren-Sex: „Let's do it.“ Warum auch nicht? Anything goes!

Bis 22. März 2013 als letzte Produktion im Ausweich-Zelt des Deutschen Theaters in Fröttmaning

Veröffentlicht am: 04.03.2013

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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