Höhepunkt der Ballettfestwoche 2013

Wir schenken uns einen Abend voller Pas-de-Deux

von Isabel Winklbauer

Mit der elften Terpsichore-Gala feierte das Bayerische Staatsballett seine Prinzipalin Lucia Lacarra. Deren Lieblingsgattung ist der Pas-de-Deux, und so gab es ein Gipfeltreffen der Zweisamkeiten.

Lucia Lacarra als "Kameliendame" (Foto: Charles Tandy)

Wer hätte das gedacht, Münchens Ballettdirektor Ivan Liska ging mit dem König von Kambodscha zur Schule. Zum Glück! Denn wegen seiner besonderen Beziehung zu dem fernöstlichen Land, in dem die Roten Khmer den höfischen Tanz auszurotten versuchten und es nicht schafften, kam das Publikum nun in den seltenen Genuss, eine Apsara-Tänzerin zu sehen. Die zierliche, Weiß und Gold geschmückte Solistin zeigte eine atemberaubende Auswahl aus den mehr als 4000 Bewegungen ihrer Kunst und war einer der Höhepunkte der letzten zehn Jahre. Statt Sprünge und spektakuläre Beinarbeit präsentierte sie das, was eine Gala ausmacht: unendliche Eleganz, Schönheit und perfekte Hingabe an den Tanz.

So etwas gehört nicht in Kulturzentren oder auf Musicalbühnen, sondern auf die große Bühne. Mehr davon! Der erste Schritt ist getan – es braucht nun keine königlichen Freundschaften mehr, um öfter solche Einladungen auf den Weg zu bringen. Was gäbe es nicht alles an Tanzschätzen aus Indien oder Sri Lanka zu sehen...

Lucia Lacarra und Cyril Pierre in "Agon" (Foto: Wilfried Hösl)

Motto der Terpsichore-Gala XI lautete jedoch „Lucia Lacarra zu Ehren“. Die erste Solistin zählt zu den gefragtesten Ballerinen der Welt, ertanzte sich den Prix Benois, ist „Tänzerin des Jahrzehnts“ der Étoiles du XXI siècle und erhielt erst vor wenigen Tagen den Grand Prix des Dance-Open-Festivals unter dem Juryvorsitz von Natalia Makarova. Dennoch hält Lacarra, die 2008 zur Bayerischen Kammertänzerin ernannt wurde, München seit zehn Jahren die Treue.

Ein guter Grund, um ihr einmal einen Abend voller Pas-de-Deux zu schenken – eine Gattung, in der sie selbst immer wieder brilliert. Den Pas-de-Deux aus Balanchines „Agon“, der der Protagonistin höchste Biegsamkeit abverlangt, kann sie beispielsweise sozusagen im Schlaf. Sie tanzt ihn mit Cyril Pierre, ihrem einstigen, langjährigen Lebensgefährten, und hebt damit gleich zu Beginn das Niveau auf eine Höhe, auf die weiß Gott nicht alle Gäste folgen.

Mit Marlon Dino, ihrem Mann, sieht das Publikum Lacarra dann noch in beider Spezialstück, dem Pas-de-Deux aus der „Kameliendame“, sowie in Russell Maliphants „Two Step Two“, das damit erstmals in München zu sehen war. Faszinierende Lichtspiele, traumhafte Körper! Getrennt voneinander und doch durch ihre Bewegungen vereint tanzen die beiden in zwei Spotlichtern. Unter allen Duetten des Abends erntete nur der „Talisman“, nach perfekter, russischer Schule mit Bravour getanzt von Ekaterina Osmolkina und Maxim Zyuzin vom Mariinsky-Theater, den gleichen Applaus.

Lisa-Maree Cullum und Cyril Pierre in "Birthday Offering" (Foto: Wilfried Hösl)

Fredrick Ashtons „Birthday Offering“ firmierte als dritte Besonderheit der Gala. Das Stück entstand in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts am Londoner Sadler’s Wells Ballet (dem späteren Royal Ballet). So alt wirkt es auch: Es besteht im Wesentlichen aus sieben Variationen für sieben Solistinnen. Eigentlich eine tolle Gelegenheit, die Damen einer Kompanie ins rechte Licht zu rücken. Doch es ist für einen Ballerinentyp konzipiert, den es heute wegen gestiegener, technischer Anforderungen eigentlich nicht mehr gibt, nämlich den kurzen, weichfüßigen Sonnenschein à la Margot Fonteyn. Da ausgerechnet Katerina Markowskaja, Münchens einzige Solistin, die diesem Typ wenigstens ungefähr entspricht, erkrankte, sah man schließlich langbeinige, lyrische Damen den eigenen Füßen und Händen nachspringen oder durch die Arme wie durch Fensterrahmen lächeln. Nicht alle von ihnen vermochten, wie etwa Luiza Bernardes Bertho, den technisch anspruchsvollen, aber inhaltsleeren Stückchen Atmosphäre abzugewinnen. Ein Knaller an „Birthday Offering“ sind jedoch nach wie vor die Kostüme im strengen Tudor-Stil, die einen spannungsvollen Kontrast zur Musik Alexander Glasunows bilden. Alles in allem endete die Neueinstudierung also in 20 Minuten wunderschöner Luft – aber nicht mehr.

Veröffentlicht am: 01.05.2013

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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