Regisseur Armin Petras über "Bauern sterben"

Stadt, Land, Gott und Heimat

von Gabriella Lorenz

Die Bauern und ihr Jesus: André Jung, Lasse Myhr und Thomas Schmauser. Foto: Conny Mirbach

Der Berliner Armin Petras und das im tiefsten bayerischen Dialekt geschriebene Stück „Bauern sterben“ von Franz Xaver Kroetz - wie geht das zusammen? Aber es war Petras' eigene Wahl. Im 100. Jubiläumsjahr lassen die Kammerspiele Stücke, deren Aufführungen in der Geschichte des Theaters wichtig waren, neu inszenieren.

Und der Regisseur entschied sich für „Bauern sterben“. Die Uraufführung hatte Kroetz 1985 selbst inszeniert, mit Jörg Hube und Monika Baumgartner. Jetzt spielen Marie Jung und Thomas Schmauser die Bauernkinder, die in der Stadt ihr Glück suchen und elend zugrunde gehen. Für Petras ist es nach „Hermannsschlacht“ und „John Gabriel Borkman“ seine dritte Regie an den Kammerspielen.

Herr Petras, was reizt Sie an diesem radikalen Drama?

Dass Menschen Migranten werden, weil sie in der Heimat nicht mehr leben können. Es ist interessant, das als historisches Stück über migrantische Lebensverhältnisse in den 70er/80er Jahren zu sehen. Die Inszenierung bedient sich mit Distanz auch der Ästhetik und des Trash der 70er und 80er. Der Sohn findet keine Arbeit und wird als Blutspender von der Stadt wie von einem Vampir ausgesaugt. Seine Schwester, die er zunächst patriarchalisch behütet, macht er zur Hure.

Dabei würde die Frau in der Stadt besser klarkommen als der Mann. Wir haben viel soziologisch recherchiert. In der DDR sind ja nach der Wende viele junge Menschen weggegangen, und meist kommen die Frauen damit besser zurecht. Ich arbeite auch viel in Südamerika, dort ist die Landflucht viel stärker und die sozialen Probleme in den Favelas weit schlimmer als in Europa.

Kroetz hat ja seine Urfassung für die Uraufführung überarbeitet und entschärft. Welche Fassung verwenden Sie?

Wir benützen verschiedene Fassungen, auch die von Kroetz autorisierte hochdeutsche. Am Ende haben wir eine Szene aus „Furcht und Hoffnung in Deutschland“ eingefügt.

Wie gehen Sie mit dem Dialekt um? Sie haben kaum süddeutsche Darsteller dabei.

Es hat sich erstaunlicherweise herausgestellt, dass alle Schauspieler eine starke Verbindung zum Land haben, weil die Großeltern oder sogar noch die Eltern Bauern waren. Wir lassen daher jeden anfangs in seinem Heimatdialekt sprechen - mit Übertiteln, weil sonst die Zuschauer nichts verstünden. In der Stadt wechselt die Sprache ins Hochdeutsche.

Die Geschwister haben immer den hölzernen gekreuzigten Christus vom Grab der Eltern dabei, mit dem die Tochter spricht, als sei er lebendig.

Verloren in der Stadt: Marie Jung und Thomas Schmauser. Foto: Conny Mirbach

Wir lassen ihn auch von einem lebendigen Menschen spielen. Mich interessiert, was macht Jesus, wie verhält er sich, wenn etwa eine Frau sich anzünden will? Aber er ist eine einsame Figur mit wenig Handlungsspielraum. Ich bin kein religiöser Mensch, doch ich frage mich, was ist Jesus heute? Für die Geschwister ist er ein Zuhause. Wenn Du einen Gott hast, hast Du eine Heimat.

Vor 20 Jahren waren Sie als Regieassistent an den Kammerspielen ziemlich unglücklich, weil Sie als Ostdeutscher mit dem reichen München nicht klar kamen.

Ich fange jetzt erst an, etwas von dieser Stadt zu verstehen. Hier geht's vielen Menschen gut, es herrscht großer sozialer Friede. Aber was ist mit den Menschen geschehen, die es nicht geschafft haben? Was hat es da für Opfer gegeben?

Im Sommer wechseln Sie als Intendant vom Berliner Maxim Gorki Theater ans Schauspielhaus Stuttgart, das noch eine Sanierungs-Baustelle ist. Proben Sie dort schon?

Nein, wir fangen erst im Herbst an, aber der Spielplan steht zu 95 Prozent.

Werden Sie dann noch Zeit finden, unter Ihrem Autorenpseudonym Fritz Kater neue Stücke zu schreiben?

Ich schreibe immer nur im Sommer in der probenfreien Zeit. Ich kann nicht gleichzeitig inszenieren und schreiben.

Kammerspiele, Werkraum, 7., 22. und 23. Mai sowie 2. und 22. Juni, 20 Uhr, Tel. 233 966 00

 

Veröffentlicht am: 06.05.2013

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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