Bonobo im Muffatwerk

In der Klangkathedrale leuchtet plötzlich ein Gesicht

von Salvan Joachim

Später auch am Bass: Simon Green alias Bonobo (alle Fotos: Salvan Joachim)

Besser als jede affige Alliteration: Bonobo bauen ein Soundgebäude wie eine gotische Kathedrale - bombastisch und brüchig zugleich. Live wird der Sound noch eindringlicher als er auf Tonträger sowieso schon ist. Und ein bisschen klarer, denn man erkennt plötzlich mit einem weiteren Sinn Ursache und Wirkungen. Man muss es tatsächlich gesehen und nicht nur gehört haben.

All die Geräusche, die sich nicht mehr einzelnen Instrumenten zuordnen lassen, all die Töne und Beats, komprimiert zu kaskadischen Klangschichten - diese Kombination aus Dichte und Leichtigkeit machen Bonobos Alben zum perfekten Nebenbeiallesmöglichetun-Soundtrack. Und zum Rätsel, was dahinterstecken mag, was vermischt wurde an Geräuschen, Instrumenten und Effekten. Das zu entdecken mag ein Reiz gewesen sein für die Konzertgänger in der ausverkauften Muffathalle. Nicht wie häufiger als DJ ist Simon Green, bekannt als Bonobo, nach München gekommen, sein neues Album "The North Borders" stellt er mit Band vor.

Die Stimme zum Sound: Szjerdene

Der Reiz der Vielstimmigkeit auf Platte, er ist auch live zu spüren, wenn die rätselhaften Klänge ein Gesicht bekommen, eine definierbare Stimme. Zwar dominieren auch auf der Bühne die Beats vom Band, die Samples vom Computer - aber hier und da wird das Zarte und Zerbrechliche der Musik deutlich: die Akustikgitarre in "Nightlite", die Querflöte, das Saxophon und natürlich die Stimme von Sängerin Szerdenje. Famos, auch wenn man sich natürlich gerne Andreya Triana und Erykah Badu gewünscht hätte für "Stay the Same" und "Heaven for the Sinner".

Man hört, wie die Musik entsteht, wie sich die Wall of Sound aufbaut, Geräusche und Instrumentenklänge sich ineinander verschachteln und zerrinnen, Stimmen zerfasern. Manchmal, aber nur manchmal droht das fein Zusammengesetzte zu zerbrechen, dann zerfällt das von Simon Green im Studio arrangierte Gesamtwerk in seine Einzelteile. "First Fires" ist so ein Fall, der Titeltrack des neuen Albums ist vielleicht der schwächste Song des Konzerts, hier finden die einzelnen Stimmen nicht zusammen, es bleibt eine Lücke auch weil die Sängerin den ursprünglich männlichen Gesangspart von Grey Reverend nicht gleichwertig ersetzen kann.

Und der Kopf der Band? Simon Green steht am Pult. Er greift zum Bass, was sonst? Er slappt, er klopft auf den Korpus und bleibt ruhig. Es ist kein Konzert zum Ausrasten, Downtempo eben. Nur einmal überlässt er die Bühne seinen Kollegen: Schlagzeugsolo, Saxofonsolo. Rockig-virtuos statt elektronisch-sphärisch. Und dann endlich "We could forever". Könnten wir! Nach knapp zwei Stunden ist Schluss. Raus aus der Halle, rein mit den Kopfhörern: Bonobo ist nur noch zu hören, aber jetzt hat er ein Gesicht.

 

Veröffentlicht am: 11.06.2013

Über den Autor

Salvan Joachim

Redakteur

Salvan Joachim (1986) ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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