"Gretchen 89ff" im Theater Undsofort
Operettenwalzer aus dem wirklichen Bühnenleben
Schauspieler und Regisseur sind „natürliche Angstgegner“: Das weiß Lutz Hübner bestens - er war jahrelang beides. Heute ist der 49-Jährige mit 40 Stücken der meistgespielte deutsche Gegenwartsautor, vielfach preisgekrönt, etwa für das Jugendstück „Herz eines Boxers“. Seine Stadttheater-Erfahrungen hat er 1997 in „Gretchen 89 ff.“ satirisch verewigt.
Wie unterschiedlich man die Kästchen-Szene aus Goethes „Faust I“ interpretieren kann, führen Daniela Voß als Gretchen und Uwe Kosubek als Regisseur komödiantisch vor. Marion Niederländer - sie spielte lange an der Schauburg - inszenierte die Produktion des Ateliertheaters, das im Theater Undsofort gastiert.
„Es ist so schwül und dumpfig hier“, sagt Gretchen, ehe sie das Kästchen mit Schmuck entdeckt, das Mephisto in ihr Zimmer geschmuggelt hat. In Hübners komischen Probenvariationen wechseln die Machtverhältnisse: Eine Anfängerin treibt mit ihrer Realismussuche den Regisseur zur Verzweiflung, ein Paranoiker will Gretchens Irrsinn als „Dokument der Krise“ spüren. Die Diva lässt den Jung-Inszenator nach ihrer Pfeife tanzen, ein alter Regie-Haudegen schwelgt in Erinnerungen. Ein Hauruck-Künstler reduziert die Szene auf vier Sätze, und in hübscher Rollenumkehrung labert eine Dramaturgin den nur an der Gage interessierten Darsteller mit intellektuellem Überbau zu.
Als absurde Krönung wird das Ganze schließlich gar zum Operettenwalzer.
Marion Niederländers Inszenierung verbindet die Varianten leicht überanimiert mit altem Swing zur amüsanten Rollenfutter-Revue für Daniela Voß und Uwe Kosubek. Hübners satirisch zugespitzte Beobachtungen sind ein witziger Blick hinter die Kulissen, denn all diese skurrilen Typen sind dem wirklichen Theater-Leben abgeschaut.
Theater Undsofort, Kurfürstenstraße 8, 4. - 6., 11. - 13. Juli 2013, 20 Uhr, Telefon 232 198 77