Csaba Polgár inszeniert "Julius Cäsar" am Volkstheater
Das Volk stampft letztlich alle in den Boden
Na, das ist mal eine interessante Tötungsart: Die Meuchelmörder schleppen den zappelnden Cäsar zur Schuhputzmaschine und klemmen seinen Kopf zwischen die Schleifräder, an denen er eingangs genüsslich seine Pumps polieren ließ. Der 31-jährige Ungar Csaba Polgár zeigte bei „Radikal jung“ 2012 einen furiosen „Coriolan“. Jetzt hat er im Volkstheater Shakespeares „Julius Cäsar“ inszeniert - auch ein Stück über Macht, Volk und Herrscher, Ideale und Realpolitik. So überzeugend wie bei „Coriolan“ gelang Polgár hier die Umsetzung jedoch nicht.
Seine Denk-Parallele zwischen der Krise der europäischen Union und dem Untergang der römischen Republik ist nicht stringent genug.
Die Wände hängen voller Geweihe, in einer Vitrine residiert Cäsar als lebendes Schaustück, neben einer ausgestopften römischen Wölfin, deren Augen rot und grün leuchten können. Lili Izsák (Bühne und Kostüme) baute ein Jagdmuseum, darin wieseln vier graubekittelte Putzkräfte herum. Sie sind die Plebejer-Masse, die sich von jedem Demagogen manipulieren lässt. Und singen wunderbar a cappella - von Bach bis Michael Jacksons „We are the world“. Drei hat Polgár aus seiner freien Budapester Hoppart-Gruppe mitgebracht, sie ergänzt betörend die Sopranistin Caroline Adler.
Brutus, Cäsars Intimus und bartgekraulter Liebling, sieht die Republik in Gefahr, als sein Mentor zum Diktator gekrönt werden soll. Angestachelt von Cassius, plant er das Attentat: Staatsräson geht vor Freundschaft.
Cäsar ist eine Cäsarin: Ursula Burkhart spielt sie zwischen Despotismus und eitler Show. Weiblich ist auch Cassius: Mara Widmann nutzt ungeniert beim Mitverschwörer Casca (Justin Mühlenhardt) ihre erotischen Reize. Dagegen bleiben die männlichen Revoltierer alle recht blass. „Demokratie ist Frieden, Demokratie ist Freiheit“: Mit solchen Worthülsen rechtfertigt Brutus (Jean-Luc Bubert) danach den Tyrannenmord vor dem Volk und reckt stolz die blutigen Hände. Seine dominante Zicken-Gattin Portia (Barbara Romaner) entzieht sich dem geahnten Misserfolg durch Suizid. Und der taktierende Gegenspieler Marc Anton (Pascal Riedel) posiert mit den Triumvirats-Kollegen auf einer fahrbaren Mini-Gangway.
Die Jagd lehre das Denken und die Liebe zur Freiheit, erklären Texteinschübe von Ortega y Gasset das Bühnenbild. Aber wer jagt hier wen? Am Ende werden alle erlegte Trophäen sein, denn das Volk stampft bei Polgár auch die Sieger in den Boden - mit den Absperrungsständern des Museums. Und ist dann ratlos.
Die Aufführung ist klug gedacht, mit schönen Einfällen, manchen schlüssigen Bildern und vielen ironischen Brechungen. Aber sie gewinnt keine Dynamik, sondern plätschert allzu ruhig vor sich hin - das reißt einen nicht mit.
Volkstheater, 3., 14., 15., 28., 29. Oktober 2013, 19.30 Uhr, Telefon 523 46 55