„Doppelhamlet“ von Bösediva im Schwere Reiter
Wenig Hamlet, dafür Hintern und Hoden
Als Zauderer ist er in die Weltliteratur eingegangen: Sein oder nicht sein, handeln oder nicht handeln? Das Berliner Künstlerduo Bösediva spaltet den wehrlosen Shakespeare-Helden in einen „Doppelhamlet“: Ja-Sager und Nein-Sager. Robin Detje und Elisa Duca brechen in ihrer performativen Installation das Problem herunter auf die simple Frage, was jeder Einzelne gegen das Faulen des Staates tun kann. Antworten hat Bösediva in der Koproduktion des Pathos München mit den Berliner Sophiensälen allerdings nicht.
Nur den bis zum Überdruss repetierten Aufruf an die Zuschauer, sich ganz nach Belieben frei im Aufführungsraum zu bewegen (merkwürdig, dass „Aufstehen! Setzen!“ da immer klingt wie ein Befehl). Hamlets Dilemma als möglicher Herrscher spitzen „Ja! Ja! Ja!“ und „Nein! Nein! Nein!“-Monologe vom Band überdeutlich zu auf zwei Handlungs-Alternativen für eine bessere Welt: Entweder der rechtsradikale Terrorismus des zitierten Massenmörders Anders Breivik, der alles Böse ausrotten will, oder der Turbokapitalismus, der mit Geld alle lächelnd glücklich machen will. Shakespeare-Texte tauchen in der Band-Geräuschcollage nur als Splitter auf.
So plakativ wie diese Vereinfachung ist auch die szenische Aktion - meist Nicht-Aktion. Auf der Bühne ein Wasserbecken und eine riesige Abrissbirne aus Silberfolie. In diese nachtdunkle Mutterschoß-Höhle kann man reinkriechen und - in den ersten 20 Minuten - vielleicht eine Frau (Gertrud, Ophelia?) ertasten. Elisa Duca gesellt sich dann bedeutungsvoll schreitend zu den beiden Performern, die recht unbeweglich um den Pool stehen und ab und zu die Position wechseln. Genauso wie Robin Detje, der als Machthaber beobachtet oder manchmal seine Schleppe durch den Raum zieht.
Das ist genauso aufschlussreich wie ein nackter Performer-Hintern unter der Kellnerschürze oder ein Hoden-Großvideo (Chris Kondek) über dem Trio Königspaar mit Sohn. Dass Dänemark Deutschland ist, hat man nach fünf Minuten kapiert, genauso den Appell zum Handeln. Der Rest ist Redundanz - leider nicht schweigend.
Schwere Reiter, Dachauer Straße 114, nur noch 12. Oktober 2013, 20.30 Uhr, Telefon 0152 5435609