"pianopossibile" feiert sein 20jähriges Bestehen in der Muffathalle
Mit Heckelphon und Postmoderne - braucht's das wirklich?
Mit dem „Konzert im Frack“ in der Muffathalle startete das Münchener Ensemble für Neue Musik „pianopossibile“ grandios sein kleines Jubiläumsfestival zu seinem zwanzigjährigem Bestehen. Bevor es richtig losgehen sollte, war ursprünglich mittags eine Podiumsdiskussion mit Vertretern der städtischen und staatlichen Kulturverwaltungen, Presse und Komponisten zur Frage „Soll sich München ein Ensemble für Neue Musik leisten können?“ angesetzt. Angesichts der in einem Erlebnisparcour dargestellten Erfolge des Ensembles scheint die Frage mehr als berechtigt.
Zwar widerfuhr dem Ensemble in den letzten Jahren das Glück von ansehnlichen Mittelaufstockungen und der Überlassung eines Probenraumes, allerdings mit viel zu langer Wartezeit. Nachdem die öffentlichen Verantwortlichen allesamt absagten, entfiel die Runde, musste „pianopossibile“ die Antwort im Abendkonzert selbst geben.
Das unternahmen die Musiker des Ensembles, das seine selbstverstandene Bandbesetzung für Neue Musik hierfür auf Sinfonietta-Größe aufgestockt hatte, grandios. Zudem wurde es zu einer Wiederbegegnung mit dem ehemaligen Dirigenten des Ensembles: Carl Christian Bettendorf lebt und wirkt inzwischen in New York, leitet dort gleich zwei renommierte Klangkörper, war dieses Jahr Gastdirigent des Opernhauses Montpellier zur dortigen Erstaufführung der durch Daniel Barenboim uraufgeführten Meisteroper „What's Next“ von Elliot Carter und hob dort seinerseits das Musiktheater „Jetzt“ des Münchners Mathis Nitschke aus der Taufe.
Bis auf „13X8@terror generating deity“ von Riccardo Nova, eine fiebrige und leider doch auf der Stelle tretende Studie von instrumentalem Liveklang und dessen vom Tonband eingespielten Erweiterungen, konnte man Stücke aus den ersten fünfzehn Jahren des Ensembles erleben. Mark-Anthony Turnages „On all fours“ ist die spritzig-freche Reaktion des 1985 noch jungen Briten auf Schönbergs Kammersymphonien, die ja die Sinfonietta-Besetzung mit generierten. Bevor die Blechbläser einen Ton zu den Kantilenen der Streicher spielen dürfen, traktieren sie Metallgegenstände. Nach klassischen Steigerungen klingt das Stück elegisch mit Heckelphon und Streichern aus, was es letztlich doch etwas konventionell erscheinen lässt.
Den höchsten Grad an virtuoser Abstraktion bot der erste Satz aus Gérard Griseys „Vortex Temporum“. Die kleine Besetzung aus drei Streichern, zwei Bläsern und Klavier und das riesige Klaviersolo am Ende erinnern an Bachs fünftes Brandenburgisches Konzert, die Bläsertremoli an Ravel und Debussy, die strukturellen Entwicklungen an Ligeti und Boulez, das Rhythmische an Bartok und Strawinsky. Angesichts der Erkennbarkeit der Vorbilder und deren hoher Amalgamierung möchte man von einer „synthetischen Postmoderne“ sprechen.
Was man aus einer diatonischen Tonfolge à la „Alle meine Entchen“ in hypertropher Übereinanderschichtung von Tönen und Rhythmen zaubern kann, bewies die Interpretation von Iannis Xenakis „Palimpsest“, ein Stück, das die Gründungskomponisten des Ensembles seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Münchener Musikhochschule beschäftigte. Obwohl gnadenlos in der Befolgung des architektonischen Masterplanes, in der Mitte etwas dümpelnd, überzeugten die Kraftentfaltungen des Anfangs und die Rockapotheose des Schlusses.
„pianopossibile“ ließ nach diesem Abend nur eine Antwort auf die selbstgestellte Frage der ausgefallenen Podiumsdiskussion zu: München benötigt ein Ensemble, ja, Ensembles für Neue Musik. Statt des skeptischen Jubiläumsmottos „Das war's“ bezüglich der eigenen Zukunft, muss man „Das ist's“, stellvertretend für alle Aktiven der Neuen Musik Szene der Stadt ausrufen!