Karl Stankiewitz über die Eröffnung der ständigen Archiv-Ausstellung im Haus der Kunst

Vielzweck-Tempel im kritischen Rückbau

von Karl Stankiewitz

Archiv-Galerie. Foto: Wilfried Petzi

Die dunkle Bronzetafel ist leicht zu übersehen. Sie steht gleich am Eingang, vielleicht hat man sie auch bewusst so niedrig postiert. Auf ihr sind Namen von deutschen Wirtschaftsführern eingraviert, die damals wichtig waren und meist heute noch glänzen. Sie alle hatten dem Hitler-Staat 1937 finanziell unter die Arme gegriffen, damit dessen erster repräsentativer, protziger Großbau am Rand des Englischen Gartens errichtet werden konnte. Damit begann eine ebenso dunkle wie dramatische, lange verdrängte oder nur in Bruchstücken dokumentierte Geschichte der Architektur und der Kunst in Deutschland.

Diese Geschichte wird nun „dauerhaft einem breiten Publikum erzählt“, sagte Sabine Brantl zur Eröffnung der „Archiv Galerie im Haus der Kunst“ am 8. März 2014, zum Tag der Archive. Vor zehn Jahren wurde die junge Kunsthistorikerin mit der hauseigenen Archivierung betraut. Was sie im Luftschutzkeller an Hinterlassenschaft vorfand, erschien ihr als „Albtraum für einen Archivar“. Bald konnte sie immerhin Führungen zu den verstaubten Zeichnungen, Plakaten, Modellen veranstalten. Sie schrieb auch ein Buch. Und 2012 gab es eine Ausstellung „Geschichten im Konflikt“, die den ideologischen Gebrauch von Kunst dokumentierte.

Die ständige Archiv-Ausstellung in einem Nebenkabinett des Mittelsaals zeigt nun mehr. Zeitlich reicht sie von der Spendertafel bis zur gefilmten Installation zeitgenössischer Künstler wie Ai Weiwei und Mel Bochner. Pläne, Modelle, Fotos, Displays und Statements von Berufenen veranschaulichen die wechselvolle Betriebsgeschichte - bis hin zum Frisiersalon, den die Amerikaner nach dem Krieg dort für ihren Officer's Club betrieben. Eine Überraschung war selbst für die Archivarin der aufgefundene „Hauspasse“, der die Nutzungen in der US-Zeit penibel auflistet.

Aus der NS-Zeit ausgestellt sind ein Verzeichnis der 1941 eingelieferten Kunstwerke und das Depotbuch für Bilder, die Hitler persönlich seit 1938 immerhin bis zum Katastrophenjahr 1944 aufgekauft hat. Erhalten sind auch ein paar damalige Mobilarien, etwa ein kantiger Papierkorb und Leuchten, das (seinerzeit verpönte) Bauhaus ließ noch einmal grüßen. Natürlich feiern auch die seligen Künstlerfaschingsfeste der Wirtschaftswunderzeit, per Film, fröhliche Urständ.

Mittelhalle (ehemalige "Ehrenhalle"), 1956. Foto: Haus der Kunst

Um die komplexe Baugeschichte zu studieren, muss man Schubläden ziehen. Da entdeckt man den handkolorierten Grundriss von 1938 und eine Zeichnung des Chefarchitekten Paul Ludwig Troost, die Raumhöhen mehrerer europäischer Museen vergleicht (wohl um die Monumentalität des Münchner Projekts aufzuzeigen). Mit der Monumentalität hatte man später einige Probleme. Immer wieder wurde versucht, das Haus der (nicht mehr nur deutschen) Kunst umzugestalten. So baute Paolo Nestler zu den Olympischen Spielen von 1972 einen leichten, transparenten Anbau. Und Josef Wiedemann wollte den Gigantismus in Foyer und Mittelhalle durch allerlei Tricks kaschieren, doch wurden diese Veränderungen 2004 im Rahmen eines „kritischen Rückbaus“ wieder entfernt.

Dieser Rückbau soll jetzt fortgesetzt werden durch eine umfassenden Sanierung des gesamten Hauses durch David Chipperfield. Sie soll „die Lesbarkeit des historisch belasteten Gebäudes wieder vollständig herstellen“. So die Konzeption von Direktor Okwui Enwezor, der auch das neue „Format“ für die Präsentation historischer Materialien initiiert hat. Um das interaktive Angebot dafür noch zu erweitern, sind in eben diesem und in anderen Räumen „Interventionen“ von eingeladenen Künstlern, Historikern, Kuratoren und Wissenschaftlern sowie wechselnde Ausstellungen geplant.

Siehe auch das Buch „Die befreite Muse. Münchner Kunstszenen ab 1945“ von Karl Stankiewitz, Volk Verlag, 2013.

 

Veröffentlicht am: 13.03.2014

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